Sascha @ YOLO andersWO
Anschiss und Orthodoxe - Jekaterinburg
Ich bin angekommen in Russland, stelle ich fest als ich aus dem Bahnhof in Jekaterinburg gehe und die alte Busse, Gebäude und etwas ledierten Plattenbauten des Bahnhofvorplatzes sehe. Metroanbindung zum Bahnhof…ähh..nein.
Okay. Jekaterinburg erinnert mich ein wenig an die ein oder andere tschechische Stadt. Die Oberleitungsbusse und alten Staßenbahnen, die man auch aus Prag kennt sind hier Omnipräsent.

Aber eben auch Schlaglöcher und es ist deutlich schmutziger als in Kazan, Moskau oder St.Petersburg. Na dann… Hallo ungehübschtes Russland.
Da ich keine Ahnung habe wie die Busse hier fahren und ich den Busfahrplan nicht wirklich kapiere, beschließe ich zum Hostel zu laufen, dass etwa 2,5 Km entfernt nahe dem Stadtzentrum liegt. Da sehe ich ein bisschen von der Stadt und dafür habe ich ja auch nen Rucksack. Generell habe ich mir sowieso angewöhnt Unterküfte im Zentrum zu suchen. Es ist einfach unglaublich praktisch zu den Sehenswürdigkeiten und man ist gerade abends auch flexibel und muss nicht durch die ganze Stadt wenn es mal später wird. Gerade, da auch Ubahnen und Busse nunmal nicht ewig fahren. Und potentielle Abzocke in Taxis, die mir dann vielleicht einen wunderschönen Tag etwas vermiesen vermeide ich so auch…auch wenn ich nicht glaube, dass das in Russland passieren würde.
Am Hostel….Nur 300 Rubel die Nacht! Nicht mal 5 Euro. Was ein Schnäppchen.Erst finde ich das Hostel mal wieder nicht. Nur selten sind die Hostels richtig ausgeschildert. Also gehe ich in das Haus, an dem das Hostel sein soll und Frage dort eine Dame die am Eingang sitzt. Sie gibt mir zu verstehen, dass es wohl auf der Rückseite des Hauses ist. Pragmatisch nimmt sie mich an die Hand und geleitet mich wortlos um das Haus zum Eingang des Hostels. Dort ist ünrogens immernoch kein Schild. Die nette Dame zeigt auf mein Telefon, ob ich denn eine Nummer habe. Also rufe ich die Nummer auf der Bookingseite des Hostels an. Die nette Dame nimmt das Telefon und spricht ein paar Sätze mit der Hostelbetreiberin. Ich solle hier warten und sie verabschiedet sich mit einem lächeln. Kurz darauf öffnet sich dann auch die Tür und Valentina, die Hostelbesitzerin, öffnet mir, obwohl ich sie erst einmal aufgrund ihrer wirklich 1,45m Körpergröße fast übersehe. Aber Präsenz entscheidet sich ja nunmal nicht über die Körpergröße. Denn präsent ist sie mit einem unschlagbaren Lachen und einer überwältigend offenen und familiären Art, mit der sich mich begrüßt.
Als ich sie nach Ihrem Namen frage und sie nach meinem, ist die Reaktion wie eh und je…..“Sascha! Alexander? Russkye?“ gefolgt von viel Sympathie.
Und das sind wir…uns sympathisch.
Ist auch schwierig, dass bei Ihr nicht zu sein.
Valentina zeigt mit alles. Ich habe das oberer Bett einer doch sehr wackeligen Holzlattenkonstruktion eines Doppelstockbettes im 8 Mann Schlafsaal, der auch gut besucht ist. Einziges Manko….
es gibt nur eine Dusche und eine Toilette im Hostel für gesamt 18 Leute.
Das könnte eng werden. Also nutzte ich die aktuelle Leere dieser Räumlichkeiten am späten Vormittag auch gleich um mich mal wieder so richtig auf Vordermann zu bringen.
Dann kommt Valentina mit meinem Pass aufgeregt auf mich zu? Sie spricht kein English aber ich verstehe, dass irgendetwas mit meiner Registrierung nicht stimmt.
In Russland muss man sich nach einigen Tagen polizeilich registrieren lassen.
Entweder geht das in dem man zur örtlichen Polizei geht oder aber (was der Normalfall ist) übernehmen das die Unterkünfte für einen. Sie fragt ob ich denn Registrierungszettel von anderen Unterkünften bekommen habe, was ich verneine. Sie schaut mich verdutzt an und telefoniert daraufhin. Na mal schauen was jetzt passiert, denke ich. Nach einer halben Stunde kommt sie wieder und meint es wäre alles in Ordnung. Ich verstehe, dass es wohl über Booking laufen würde und alles in Ordnung wäre. Na dann, Spasiba.
Wieder 15 min und ein Telefonat später fragt Valentina erneut nach meinem Pass und telefoniert wieder. Schaut auf meinen Einreisezettel, fotografiert alles 3 Mal und grübelt. Irgendetwas scheint sie immernoch zu stören. Ich weiß, dass Hostelbetreiber hier hart bestraft werden, wenn etwas mit den Gästen nicht stimmt. Ich möchte ihr gern helfen und die Sache klären, weiß eben aber nicht wie. Ich habe keine Ahnung was nicht stimmt.
Dann also Google Translate. Ich hätte wohl von den Unterkünften einen Registrierungszettel bekommen müssen.
Okay….das ist jetzt blöd. Und nun?
Valentina schnappt sich meinen Pass und telefoniert…eine Stunde lang….mal aufgeregt…mal ruhig. Dann sagt sie, mit deutlich erleichtertem Lächeln. Alles okay.. Als ich Abends wieder ins Hostel komme, drückt sie mir den Registrierungsschein in die Hand und ich bedanke mich mehrmals bei Ihr. Anscheinend war das nicht so einfach. Danke, Valentina!
Ich schaue mir Jekaterinburg an. Der Ort an dem die Zarenfamilie der Romanovs zur Oktoberrevolution 1918 hingerichtet wurde. Genau an dieser Stelle wurde die Blutskirche errichtet, die mit goldenen Zweibeltürmen mitten in der Stadt aufragt.
Nach den ganzen Kirchen und dem Gold St. Petersburgs und Moskaus kann mich diese Kirche aber relativ wenig begeistern. Der Ort scheint aber wir vielen Leuten hier sehr wichtig zu sein. Innehaltend und andächtig wird vor den Grabmalen der Romanovs und in der Kirche gebetet und sich gekreuzigt. Auch junge Frauen tragen Kopftücher und beten mit voller Hingabe.
Für mich neu und ein Erlebnis ist die orthodoxe Kirchenzeremonie, in die ich gerate und ich andächtig verfolgen kann. Der Zermonienmeister wird erst von einem Chor begleitet und schreitet dann mit seiner rauchenden Kugel Weihrauch (oder so ähnlich) durch den Raum und segnet die anwesenden und alles was sich so in der Kirche befindet. Zumindest ist das mein Eindruck. Immer verfolgt wird er von den Blicken der Anwesenden Gläubigen, die in der Mitte der Kirche stehen und der Zeremonienmeister um sie herum schreitet. Die Anwesenden sind ihm immer mit der Körpervorderseite zugewandt und folgen ihm mit andächtig gesenktem Kopf. Hier scheint die Kirche doch einen sehr hohen Stellenwert zu haben.

Ein Highlight von Jekaterinburg ist für mich jedoch die Promenade am Ufer des Sees mitten in der Stadt. Sie ist mehrere Kilometer lang und obwohl ich 1,5 Stunden daran entlang laufe komme ich nicht zum Ende. Vom See geht sie über an einen kleine Fluss, der an einen Park anschließt. Dort gibt es Eisstände, Restaurants, Pubs, Zuckerwatteverkäufer, Straßenmusiker und ein Monument für eine Tastatur – das etwas versteckt am Wegesrand liegt.
Ansonsten gibt es in Jekaterinburg nicht all zu viel zu sehen. Also verbringe ich auch einen Abend bei Bier und Burger auf der Sonnenterasse eines Pubs und lasse den Abend ausklingen, schreibe mit dem ein oder anderen, sortiere Fotos und habe kleine Gespräche.

Erst spät in der Nacht – gegen 2 Uhr - komme ich zurück ins Hostel und öffne die Tür. Valentina, die direkt am Eingang sitzt schaut mich an….und ich glaube jetzt bekomme ich von dem kleinen Energiebündel
einen gehörigen Anschiss.
Aber nix da. Valentina kommt in flüsternd schreiendem Ton auf mich zu….“Oh, Sascha….Party?” lacht und klopft mir – halb umarmend- auf den Rücken
– an die Schulter kommt sie ja größenbedingt leider nicht.
Gleichzeitig winkt sie mir zu und geleitet mich nicht zu meinem Bett sondern in ein anderes Zimmer. Was ist denn jetzt los denk ich? Bin ich zu unangehm für die anderen? Nein, Valentina möchte mir etwas gutes tun und gibt mir ein freies Zimmer. Das ich für mich heute Nacht haben kann. Betrunken, spät in der Nacht ankommen und dafür noch belohnt werden. Find ich gut.
Valentina du bist ein Schatz. Das Hostel ist sicher nicht der Oberkracher, aber mit Valentina unschlagbar und zentral.