Sascha @ YOLO andersWO
Atomständchen und Grenzen im Kopf - Wagah Border, Pakistan
Der Nachtbus bringt mich wieder ein Stückchen nördlich nach Amritsar. Was ich hier will? Amritsar ist die einzige Möglichkeit die Grenze von Indien nach Pakistan zu überqueren.
«Du willst was???? Nach Pakistan?!?! Das ist doch gefährlich!«
Warnt mich ein Mitreisender Inder im Bus, der ungläubig den Kopf schüttelt. «Wenn ich nach Pakistan gehen würde, dürfte ich nicht einmal mehr zurück in mein Land.« meint er. Und gibt mir damit gleichzeitig einen kleinen ersten Vorgeschmack auf das Verhältnis zwischen den beiden verfeindeten Atommächten Indien und Pakistan, die sich seit der Teilung der beiden Länder 1947 nach Abzug der britischen Kolonialmacht in mittlerweile drei Kriegen gegenüber standen. Und immer noch streiten die beiden Staaten über die Vorherrschaft in der Kaschmirregion im Norden.
Der Nachtbus spuckt mich aus. Amritsar ist eine echte Touristenstadt. Vor allem sind es indische Touristen, die sich um die Hauptattraktion von Amritsar tummeln: Der goldene Tempel, der mitten in einem See thront und tatsächlich aus purem Gold überzogen ist. Nachts leuchtet er goldgelb und spiegelt sich warm glitzernd auf dem See. Eine landesweit bedeutende Heiligenstädte, die tausende Pilger anzieht, die den Tempel in Scharen umrunden.

Viel mehr Anziehungskraft scheint aber ein anderes Spektakel zu haben, dass sich scheinbar kein Inder entgehen lassen will. Der Grenzübergang. Der einzig überquerbare zwischen den beiden Staaten. Also im Grunde sowas wie der Checkpoint Charly der Pakistanisch indischen Teilung. Nur eben noch live und aktiv.
An jedem Abend um fünf Uhr nachmittags findet hier die berühmte Zeremonie zur täglichen Schließung der Grenze «Wagah Border« statt.
Eine Hommage an den indischen Nationalismus. Amritsar, die Grenze und die Zeremonie werden mein Bild der friedliebenden meditierenden Inder schlussendlich und grundlegend ändern. Okay….das Bild hatte sich ja schon während des Indientrips durchaus ins leicht negative korrigiert. Vielleicht ist dieses Bild aber eben einfach nur entromantisiert - weg von den bunten Bollywood Filmen oder Geschichten von fremden Gewürzen, Gerüchen und tiefer Spiritualität. Inder sind wohl auch nur Menschen, die jedoch mich zumindest nicht durch Ihre Aufrichtigkeit überzeugen.
In Bussen umgeben von Menschenmassen drängen wir am Nachmittag zur Grenze, die etwa 45 Minuten westlich von Amritsar liegt.
Die Grenze selbst bilden im Grunde nur zwei kleine unscheinbare verschiebbare Eisentore. Um diese unscheinbare Grenze sind jedoch auf beiden Seiten der Zäune zwei riesige Arenen aufgebaut, in die ich mit den Menschenmassen an Indern nun einströme.

Es fühlt sich ein wenig wie beim Einmarsch der Gladiatoren im alten Rom an
und ist begleitet von folklorischen Schreien der Massen, die bereits Fahnenschwenkend das Stadion fast zum Platzen bringen.
Wir westlichen Touristen werden alle an eine spezielle Tribüne geleitet, sodass wir so ziemlich den besten Blick auf das Geschehen recht weit vorn am Grenzzaun haben. Ich bin gemeinsam mit einem kanadischen Pärchen hier, dass ich an der Bushaltestelle auf dem Weg kennengelernt habe. Die beiden scheinen genauso ein wenig geflasht und eingeschüchtert von der grölenden Menge tausender Inder zu sein, wie ich.
Angefeuert wird alles vom vermeintlichen Kommandanten der Grenztruppe, der im schwarzen KSK Kampfanzug die Massen mit wilden Schreien in sein Mikrofon aufheizt. «Hindustan, Hindustan« raunt es durch die Arena. Krächzend durch die viel zu lauten Lautsprecherboxen.

«Hindustan« Was soviel bedeuten soll wie «Staat der Hindu«. Genau das was Indien aus meiner Sicht auch sehr nahe kommt. Denn obwohl Indien natürlich ein Staat der vielen Religionen ist - was bei über einer Milliarde Einwohnern ja auch kein Wunder ist - werden in Indien die Nicht-Hinduistischen Religionen gelinde gesagt latent ungleich behandelt. Staatsämter werden generell nicht an andere Religionsangehörige vergeben und auch bei Jobs oder wichtige Positionen gibt es wohl starke Ungleichbehandlungen.
Übrigens ein Grund, warum sich Pakistan, dass vor allem die Rechte der Muslime vertritt, sich 1947 von Indien abspaltete. Irgendwie …nachvollziehbar. Gerade vor dem Hintergrund dieses Spektakels.
Es fehlt irgendwie nur noch, dass die Menschen hier Ihre rechten Arme gen Himmel strecken und «Heil…«
……..Okay….zu früh gefreut. Sie tun es doch, zumindest das mit den Armen.




Als die Grenztruppen zur Zeremonie in die Arena einmarschieren, werden sie gefeiert wie Volkshelden. Stolz und im aggressiven Stechschritt bewegen sie sich stolz einer nach dem anderen in Ihren hochaufragenden gefächerten Mützen in rot und beige auf die Grenze zu.









Ich erinnere mich zurück, als ich staunend vor der Reise vor dem Fernseher saß und mir YouTube Videos von Weltreisenden angeschaut habe.
Ungläubig habe ich dabei durch Zufall auch dieses Spektakel auf der Flimmerkiste gesehen und mir gedacht, dass man schon ganz schön mutig sein muss, um hier her zu kommen,
in dieses aufgeheizte Gebiet. In diese unwirkliche Welt - unglaubliche Welt zweier verfeindeter Atommächte. Und jetzt bin ich hier, was nie auf meinem Plan war. Ich sitze mitten drin im Indien ala Nürnberg 39.
Ich drehe meinen eigenen Film. Lebensfilm. In dem Fall wohl ein Leni Riefenstahl Film aber immerhin in Farbe. Das, was ich immer wollte. Nicht vor der Flimmerkiste sitzen und schauen, was mir andere von der Welt erzählen und erzählen wollen. Das Leben an mir vorbei flimmern sehen, während die Abenteuer warten und Gedankenbilder über ferne Länder und das eigene Bild und damit verbundene Ich zurecht gerückt bedürfen. Nicht zuschauen und die Leute bewundern in Filmen und Dokus ala «Wäre ich doch gern…« «Wenn ich könnte…« und dann scheinheilig vorschwärmen, dass das ja alles kein Thema wäre und sich selber in die Tasche lügen, dass man das in Handumdrehen auch könnte. Vereisen – Nein – Leben mit dem Zeigefinger auf der Landkarte….heute wohl mit der Fernbedienung auf der Flimmerkiste oder Laptop.
Geplant war es nicht, dass ich hierherkomme. Die Entscheidung nach Pakistan zu gehen, kam eher in der Wüste von Jaisalmer als uns im Wüstensand einer der Führer (haha ..passt grad zur Nürnberg 39 Story…ich weiß plump.) sagte, dass wir im Grunde nur noch rund 30Km von der pakistanischen Grenze entfernt sind.
Ein kurzes mulmiges Gefühl wich dem «Warum dann nicht da hin? So nah??? « Hinzu kommt, dass Pakistan die Visabestimmungen zu ein paar Monate vor meiner Ankunft hier gelockert hat und nun auch ein Online Visa anbietet. Was sich tatsächlich als unglaublich einfach herausstellte. Online beantragt. Geld überwiesen (50 US-Dollar) und in 4 Tagen hatte ich mein Visa. Online.
Warum nicht da hin? Bin ich wirklich so leicht zu überzeugen? Leichtsinnig? Blind ohne darüber nachzudenken? Keine Angst oder Unsicherheit? Einfach so?
Nein. So einfach gestaltet sich die Frage nie. Für mich zumindest nicht. Vielmehr ist es so, dass Pakistan mir einen Heidenrespekt einflößt. In meinem Kopf ist es fernes unbekanntes Land, dass mir im Grunde nur als muslimischer Hardcorestaat mit Entführungen, Taliban, Grenze zu Afghanistan und Wüstenlandschaft im Kopf herumschwirrt.
Die Seite des Auswärtigen Amtes spricht von Anschlägen und Entführungsgefahr….oder etwa Peshawar, in dem es immer mal zu Anschlägen kommt und die Streitkräfte im Afghanistan Krieg stationiert waren und die Deutschen Tornado Bomber auch immer noch da sind. Nach Afghanistan ist es von hier ein Katzensprung.
Ich hab nur leider keine Armee um mich. Ich bin allein. Deshalb ist Pakistan eine Grenze - In meinem Kopf. Ungewöhnlich. Unbekannt….Und ja. Genau das zieht mich magisch an, obwohl es mir gleichzeitig genauso viel Angst macht. Ehrlich.
Es ist nicht das sinnfreie «Ich setze jetzt mal mein Leben gedankenlos aufs Spiel«, sondern vielmehr ist die innere Überwindung immer über den Tellerrand zu schauen. Hinter den Vorhang, wie es hier wirklich ist. Und dann finde ich ganz nebenbei auch immer wieder tiefgreifende Erkenntnisse für mich. Ich habe keine Delegation oder Bodyguards, die mich beschützen. Ich geh rein und da bin nur ich. Und wenn ich Glück habe, habe ich mein Lächeln und jemand lächelt zurück…hoffentlich ohne das innere Grinsen eines irren Terroristen, der sich wie Bolle freut, einen doofen Westler zum in die Luft sprengen gefunden zu haben.
«Erfahrungen sammelt man wie Pilze: einzeln und mit dem Gefühl, dass die Sache nicht ganz geheuer ist.« Erskine Cardwell
Nicht ganz geheuer. Das ist mein Gefühl. Am nächsten Tag fahre ich mit dem Taxi erneut an die Grenze, die für den Übertritt nur zwischen 10 und 16 Uhr geöffnet ist. Danach strömen jeden Abend wieder die Menschenmassen ins Nürnberg 39 Stadion.
Heute ist es anders als gestern. Habe ich mich gestern noch angeregt auf dem offenen Bus unterhalten, ist es heute still im Taxi. Ich bin still. Angespannt.
Das Kilometerlange Sperrgebiet der Grenze zwischen den beiden Staaten zieht am Fenster an mir vorbei. Kaum ein Haus. Brachland. Militärgebiet. Kaserne über Kaserne.
«Ob die mich wirklich rein lassen? Klappt das wirklich mit dem Online Visa? Was ist hinter der Grenze?
Ich habe keine Ahnung und dann auch keinen Handyempfang mehr bis ich irgendwo eine Handykarte auftreiben kann. Die Fragen gehen mir durch den Kopf bis wieder das riesige Stadion in Sichtweite kommt. Diesmal ist keine Volkfeststimmung. Die Soldaten in Tarnanzug überprüfen den Pass des Fahrers und dann Meinen am ersten Checkpunkt. Die erste Panzersperre und Schranke öffnen sich. Wir biegen auf den Parkplatz des indischen Grenzgebäudes. Wieder werden wir überprüft und ich werde diesmal harsch gebeten im Auto zu warten als ich aussteigen möchte. Ich bin angespannt. Meine Anmeldung soll der Fahrer übernehmen, dem ich meinen Pass gebe, gibt man mir zu verstehen. «Okay..okay.…ich warte« und geh mit defensiv erhobenen Händen wieder zurück ins Auto.
Nach gut 15 Minuten kommt mein Fahrer zurück. Mit kurzem Kopfnicken bestätigt er mir, dass alles okay ist und ich bekomme meine Pass wieder.
Wir fahren vor das Grenzgebäude. Ein wenig Trinkgeld für den Fahrer, der auch schnell wieder den Rückweg antritt und schon bin ich allein auf dem Parkplatz.
Naaaa, daaaann…los…Rucksack und Gitarre geschultert und auf. Auch im Gebäude sind nur eine Handvoll Reisender. Kein einziger westlich aussehender Reisender ist in Sichtweite.
Am Eingang des Grenzgebäudes gibt es erstmal einen Metalldetektor-Check..wie am Flughafen und mein Gepäck wird das erste Mal durchleuchtet.
Gerade die Gitarre scheint immer ein Thema zu sein. «Bitte Aufmachen«. Nicht aber etwa wegen der Gefahr einer Waffe, wie mir ein Grenzsoldat später erklärt. Goldschmuggel ist das Thema. Die Schmuggler ersetzen dabei die normalerweise Kupferummantelten Saiten mit Saiten aus purem Gold. Gute Idee, denke ich noch….verschiebe das aber auf meinen nächsten Besuch. Der Nervenkitzel jetzt reicht mir schon.
Der im Anschlag stehende Schäferhund nimmt noch einmal eine tiefe Nase meines Rucksacks und gibt das letzte Okay. Nach zwei weiteren Gepäckkontrollen komme ich an die indische Passkontrolle.
«Sind sie sicher, dass sie nach Pakistan wollen?«
fragt mich erneut der Grenzbeamte etwas ungläubig. Ich bejahe….zögerlicher diesmal. «Sie müssen sich noch impfen lassen« meint er. Neben der Passstelle bemerke ich einen Holztisch mit drei in weißen Kitteln gekleideten vermeintlichen Doktoren.
«Ich bin doch aber schon geimpft. Im Grunde gegen alles und jeden« gebe ich den Herren zu Protokoll und überreich Ihnen meinen internationalen Impfpass. «Gegen was werde ich denn überhaupt geimpft?« schiebe ich nach. «Kinderlähmung« gibt mir einer der Götter in Weiß zu verstehen. «Naja die habe ich ja garantiert schon«. erwidere ich.
Leider ist der Eintrag im Impfpass und mein Hinweis den Herren aber reichlich egal. Ich muss die Schluckimpfung trotzdem einnehmen. Die bekommen übrigens alle aus derselben Kanüle in den Mund getropft. Super hygienisch. Gut, dass ich ja gegen alles andere was durch diese Impfung bei mir hervorgerufen werden könnte, geimpft bin. Ein Hoch auf meine Krankenkasse, die den ganzen Spaß freundlicherweise übernommen hat. Mit einem PERMANENT Maker bekomme ich noch einen langen Strich auf meinen Zeigefingernagel und bin somit gebrandmarkt als geimpft. Den Strich bekomme ich tatsächlich erst nach etwa zwei Wochen vom Finger.
Und schon bin ich aus Indien raus….. Also noch nicht ganz. Wir werden in einen kleinen Bus verladen, der nach gut 20 Minuten warten in der Hitze auch losfährt. Ich nutze die Zeit um ein wenig mit meinen Sitznachbarn zu plaudern. Ganze 5 Minuten fahren wir über das abgesperrte Grenzgebiet, dass wie eine gut gepflegte Kaserne erscheint. Grün und mit vielen Wiesen. Eine kleine Oase in Mitten der Wüstenlandschaft außerhalb dieser Mauern.
Am pakistanischen Grenzgebäude angekommen, schweißgebadet von der kurzen Busfahrt reiche ich dem Beamten meinen Pass und den ausgedruckten Zettel des OnlineVisas. Der bespricht sich tuschelnd mit seinem Kollegen, steht auf und geht ins Hinterzimmer.
«Bei den anderen wenigen Mitreisenden macht er das nicht?«
gibt mir mein Kleinhirn zu bedenken. «Stimmt etwa doch etwas nicht?« Er kommt zurück. Seine Mine erhellt sich und er fragt «Oh…Germany. Soccer!?« grinsend. Ist ja im Grunde, die Standardfrage, die mir weltweit auf meine Antwort, dass ich aus Deutschland komme, generell auf rhetorische Art und Weise entgegenschnellt.
Er überreicht mir meinen Pass und meine Visazettel und schickt mich nächsten Gepäckkontrolle. Aber zuerst durchwühle ich die Seiten meines mittlerweile durchaus gut bedruckten Reisepasses auf der Suche nach dem Visastempel. Ich hatte gelesen, dass hier öfter Fehler passieren und durch falsche Stempel und Daten die Rückreise erschwert werden kann.
Glücklicherweise ist das bei mir jedoch nicht der Fall. Stempel da, Reisedatum richtig. «Geld? Ja, Geld? Wo gibt es das denn?« Tauschstuben oder ähnliches? Fehlanzeige. Einzige Möglichkeit stellen die mehr oder minder ominösen Laufburschen im Grenzgebäude da, die mir ihre Dienste anbieten. Dies lassen sie sich jedoch gut bezahlen, so dass ich für 40 Euro gut 8 Euro Gebühren bezahle. Verhandeln. Keine Chance. Wat solls. Ich habe Geld. (1 Euro sind übrigens rund 200 pakistanische Rupie.)
«Bin ich jetz schon driiiinn?« Würde Boris Becker jetzt eventuell Fragen, sofern jemand unter den Älteren aus den Anfängen der Internetwerbung das hier liest.
Noch nicht. Denn erst jetzt bemerke ich, wo ich bin. Ich laufe in die nun leere Nürnberg 39 Arena, die jetzt irgendwie gespenstig wie ein verlassenes Relikt alter Zeiten wirkt.Vor mir das berühmte eiserne Schiebtor, dass tatsächlich die Grenze zwischen den Beiden Staaten darstellt. Auf beiden Seiten stehen die Grenzsoldaten beider Länder …jetzt jedoch mit Ihren schwarzen Kampfanzügen und Maschinenpistole im Anschlag. Links und rechts Maschinengewehrstellungen auf den Rängen. Ich gebe den Soldaten meinen Pass…. Und das Tor öffnet sich einen Spalt, so dass ich hindurch kann. Und plötzlich bin ich in Pakistan. Begrüßt werde ich dabei zunächst durch das düster wirkende Konterfei eines pakistanischen Geistlichen mit obligatorischem Bart, Turban und dunklen Augen, dass auf einem mächtigen Tor thront, durch das ich laufe.

«Ist es das was mich hier erwartet?« frage ich mich selbst etwas unsicher und immer noch angespannt, als ich eine absolut leere 4 Spurige Autobahn umgeben von Wüstenlandschaft in der Ferne ausmache deren Zugang durch Panzersperren reglementiert wird. Bewacht von einem Soldaten mit umgehängter Kniffte, der mich nun auch in der Ferne auszumachen scheint als ich auf ihn zu Laufe. Seine zugekniffenen Augen und etwas gelangweilter Gesichtsausdruck verwandeln sich jedoch schlagartig als er erkennt, wer ich bin. Ein Westler. Und schon kommt er mir strahlend und mit ausgestreckten Hand entgegen.
«Heeeeeeey! How aaaaare you? Wheeeere are you from?«
fragt er mich absolut überschwänglich breit grinsend erfreut. «Great that you are here in Pakistan!« fährt er mit wohlwollend offenem Gesicht fort und lässt die mittlerweile festumschlungene Hand erst nach einigen kräftigen Schüttlern wieder los. Ich bin ein wenig konstaniert. Hatte ich doch Gefahr, muslimischen Hardcorestaat und Terroristen erwartet.....ich lasse mich aber schnell von der guten Laune des Soldaten anstecken.
«What is that?« fragt er interessiert auf meinen schwarzen Koffer zeigend. «Ein Gitarre« erwidere ich und erwarte, dass ich diese nun erneut einer Gepäckkontrolle unterziehen muss.
Aber es kommt anders
«Can you play for me?«
fragt mich der Soldat immer noch in grinsenden Enthusiasmus. «Ähhhh….klar.« antworte ich. Dann lass ich mir aber nicht nehmen, dass mich der nette Soldat auch filmt, während ich an der Grenze zweier verfeindeter Atommächte ein Liedchen trällere. Ein kleines Atomständchen. Bombenstimmung.

Also das…..DAS hatte ich nicht erwartet. Was für ein Empfang! Was für ein Erlebnis. «Welcome to Pakistan« sagt mir nun auch das grüne große Autobahnschild über mir, was ich jetzt lächelnd zur Kenntnis nehme und ein großer Teil der Anspannung der letzten Stunden von mir abfällt.
Nun bin ich da. Und die Grenze ist im Kopf und real überwunden. Bis ich bemerke, dass ich ja immer noch auf der leergefegten Autobahn in Mitten der Wüste stehe. Wo jetzt hin? Und wie vor allem?
Ich will nach Lahore, der nächsten großen Stadt nahe der Grenze etwa 40 Km entfernt. Die Inder vor der Grenze hatte ich nach Bussen auf pakistanscher Seite gefragt. «Ja, klar gibt es da Busse!«. Nun gibt mir der freundliche pakistanische Grenzsoldat und ein paar hilfsbereite pakistanische Passanten, die mittlerweile um mich sind, zu verstehen, dass die Reisebusse hier nur nach Karachi oder Islamabad fahren.
«Und nach Lahore?« frage ich meinen neuen Bekanntschaften. «Diese Richtung!« zeigen sie einheitlich mit langgestrecktem Arm in Richtung der leeren Autobahn, dessen Ende ich im schimmernden Sonnenlicht des heißen Nachmittags gar nicht erkennen kann.
«Three Kilometer this way«. Dort soll es dann Busse und Taxis nach Lahore geben. Na, dann…..geh ich mal und bedanke mich bei meinem netten Empfangskomitee, schultere Rucksack und Gitarre und laufe los.
Kein Schatten, Wüste und Gepäck. Und trotzdem ich freue mich. Über mich. Meine Überwindung. Den schönen Empfang. Und laufe mit Elan.
Und wenn du denkst «es ist alles gut«…..hupt plötzlich ein weißer Kleinbus neben dir und fährt langsam an dich heran.
«Ist das jetzt der Moment in dem die Schiebtür aufgeht und ein paar Taliban mich in den Wagen zerren? Jetz schon ….an der Grenze?« denke ich.
Ich winke ab und versuche den Bus zu ignorieren. Da geht die Fensterscheibe runter und von der Rückbank schreit es in freudigem Ton «The crazy German!!! Where are you going?« Verdutzt drehe ich mich um und erkenne die drei Sikh (Eine Religion…die mit den Turbanen) mit denen ich mich im Bus kurz an der Grenze unterhalten hatte, während wir auf die Weiterfahrt in der Hitze gewartet hatten.
«Do you go to Lahore?« schreit ein anderer wieder von der Rückbank. «Yes« antworte ich. «Jump in! You can drive with us!« und bieten mir eine Mitfahrgelegenheit an. Ein Freund hat sie abgeholt. Da sage ich nicht Nein. Gitarre und Rucksack auf die Rückbank gequetscht. Und los geht’s. Nebenbei werden die 3 übrigens auch für eines der spannendsten und einzigartigsten Erlebnisse in Pakistan verantwortlich sein…was in einem der nächsten Blogs kommt.
Wie gesagt,wenn man denkt «alles ist gut«…kommt es meist…..noch besser, wie ich feststelle. Irgendwie. Denn die Drei nehmen mich nicht mit in irgendein schäbiges Hinterhofhaus …was ich auch ganz toll gefunden hätte…Nein…Die drei steigen im besten Hotel der Stadt ab, dessen Eingangshalle mir selbst die Kinnlade runterfallen lässt. Und die drei Laden mich erstmal zu einem kleinen Gourmet-Stärkungsessen in der feinen Lobby des Hotels ein. Denn dort habe ich Internet um mich um die Fahrt zu meiner Pension zu kümmern. Sie organisieren mir noch ein Tucktuck und wir Tauschen Kontaktdaten.
Das…..ja….das…..das hatte ich wirklich nicht erwartet von dir, Pakistan.
«Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge.« Kurt Marti
