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  • AutorenbildSascha @ YOLO andersWO

Netter Hüftschwung beim Ertrinken - Kajaken, Südnepal

Ich bin ausgeruht. Pokhara hat mir gutgetan. Ein paar Tage nicht allzu viel tun. Ich bin wieder bereit für neue Abenteuer. Paragliden war zwar auch ein kleines Abenteuer für mich, aber ich will wieder etwas abseits der dicken Pfade.


Da stellt sich mir die Frage, wo ich denn als nächstes eigentlich hin will? Der Klassiker auf Weltreise…unendliche Weiten….ach neee….das war Raumschiff Enterprise….unendliche Möglichkeiten und Entscheidungen. Das ist es.


Alles was ich wollte und bis dahin wirklich über Nepal wusste, war erstmal der Everest. Den hab ich ja schon. Immer noch ein wenig unfassbar für mich. Aber ich habe mir diesen Traum erfüllt. Mit Schneemann! (Link Blog Everest)


Jessi, der in Nepal 6 Jahre gewohnt hat, (Link Blog Peking) hatte mir aber in Peking schon die Möglichkeiten dieses Landes eröffnet. «Fahr in den Süden! Zum Beispiel zum Chitwan Nationalpark. Dort gibt es Dschungel und Tiger. Das Land ist vielfältig. Lass dir das nicht entgehen!«, meinte er. Und das werd ich nicht. Mir gefällt Nepal auch viel zu sehr, als dass ich hier schon weg will. Ich mag die Leute, die einfache freundliche und so vertrauensvolle Art, die Berge, Dschungel, Seen und Flüsse.


Ach ja….Flüsse.


Wie wär es denn mit dem Boot in den Süden zum Chitwan Nationalpark? Wäre ja mal ne andere Reiseart. Abwechslung muss ja auch sein. Außerdem können die Busfahrten in Nepal ja in Ermangelung an Sitzplätzen ja durchaus gewöhnungsbedürftig sein (Link Blog Holprige Busfahrt zum Ich) und Flüsse gibt es genug von den Berggletschern in den Süden des Landes.


Raftingtour im Familienboot, wäre das erste Angebot hierfür in Pokhara, was beworben wird. Eine Stunde raften, bisschen paddeln und dann wieder in den Bus.


Mhhh….näääää. Nix für mich.


Ich will - wie immer- etwas mehr. «Wenn du mehr willst, wäre n Kajak ne Alternative« erklärt mir Sudib, der Besitzer einer kleinen Kajakschule in Pokhara. «Wir hätten da ne ziemlich coole 2 Tages Tour nur für dich allein. Du bist doch schon mal Kajak gefahren, oder?«, fragt er. «Klar«, keine Frage für mich. Und erwidere: «2 Tage im Kajak! Das ist es!«


Und schon sitze ich am nächsten Tag im Jeep zum Seti River. Mein Gepäck---also die Gitarre und der Rucksack… wird von den Jungs der Kajakschule mit dem Bus direkt an meine gebuchte Unterkunft in Chitwan geschickt. Denn was ich für die nächsten zwei Tage mitnehmen kann, befindet sich lediglich in einem kleinen wasserdichten Drybag, der im Fußraum meines neuen Gefährts verstaut wird - Inhalt: Kurze Hose, T-Shirt, Wechselunterhose, Gopro, Zahnbürste, Pulli, Wasserflasche. Mehr passt nicht ins kleine Kajak.


Auf dem Weg zum Fluss halten wir noch an der Apotheke und Sudib besorgt für mich noch schnell Toilettenpapier, Mullbinde und Pflaster. «Du wirst mindestens eins davon brauchen« meint er grinsend. «Manchmal gibt es doch n paar Verletzungen« ergänzt er leise hinterher. «Wenn du aus dem Kajak fliegst.«. «Okay, danke« sage ich etwas verwirrt mit jetz aufkommender Anspannung. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, was genau das für ein Trip wird.


Aber jetzt ist eh zu spät. Ich dachte wir schippern da ein wenig gemütlich übern Jordan und schauen uns den tollen Dschungel ganz einsam auf dem Fluss an? Naja. Seemanns Heil und Ahoi…oder so ähnlich. Wat sagt man da eigentlich? Hab ich grad irgendwie vergessen.


Am Fluss angekommen begrüßt mich Sushil. Ein junger, breit grinsender, dunkelbraungebrannter Nepalese, der mir ungefähr bis zum Kinn reicht. Er wird mein enger Begleiter auf hoher See sein und wir werden die nächsten Tage gemeinsam verbringen. Das breite Lächeln lädt mich aber schon jetz zum Verweilen ein.


Zunächst gibt’s aber meine Seemannsrüstung: Helm, Swimsuitoberteil, Weste und das Röckchen, wie ich es nenne. Das Röckchen ist ein Gummiüberzug, der über dem Kajakeinstieg dicht verschlossen wird, wenn du drinsitzt. Also eine Art Neoprenrock, den du anziehst und dann damit den Kajakeinstieg abdichtest, damit nicht die ganze Zeit Wasser eindringt. Fachbegriffe für Equipment sind gerade aus. Sorry.





«Du bist doch schon mal Kajak gefahren, oder?« fragt Sushil – erneut -bevor wir die Boote in voller Montur vom Flussufer schieben. «Ja, schon« meine ich, noch unsicherer während ich die doch recht starke Strömung des ca. 40m breiten Flusses beim Losfahren spüre.





Mein «Ja, schon« revidiere ich recht zügig, als wir zur ersten Stromschnelle gelangen. Sushil gibt Anweisungen: «Immer gerade drauf zu! Und paddeln, paddeln, paddeln!«.


«Oh Oh!!!«, denke ich kurzangebunden als es hineingeht.

Sieht von außen echt klein aus. Holprige Gewässer eben….Aber mittendrin in den Stromschnellen überragen einen die Wellen ganz locker. «Die sind ja riesig«. Wellen von links, rechts, oben, unten. «Das wird nix! Gleich haut´s mich raus«, denke ich.


Nix da! Die Hüfte nach links geschoben, gegengesteuert und paddeln, paddeln, paddeln. «Da geht’s durch«, mach ich mir selber Mut und es gelingt tatsächlich ohne umzukippen. Also Kajak gefahren bin ich schon mal aber soooooo dann doch noch nich. Für die Insider der Fluss hat übrigens Wildwasserschwierigkeitsstufe 3 bis 4…was ich DANACH rausfinde.


Jetzt machen die nervigen Fragen von Sudib und Sushil im Vorfeld durchaus Sinn.

«Du bist nicht gekentert. Super!« meint Sushil und ergänzt


«Man sieht, du hast sehr bewegliche Hüften. Perfekt fürs Kajaken!« ….so als kleine UNWICHTIGE Nebeninformation für die Damenwelt da draußen. Wieder was Wichtiges über mich gelernt. Toller Hüftschwung. Smile.

«Wenn du kenterst, musst du erst das Röckchen vom Kajak lösen« hatte mir Sushil am Anfang noch erklärt. «Also kopfüber im Wasser…..weil ja gekentert…...Augen zu….in der Strömung am Einstieg des Kajaks entlangtasten bis nach vorn….dort den Rettungsschnipel vom Röckchen ertasten und mit Schmackes ziehen ….und kopfüber aussteigen.«


Leicht gesagt vom nepalesischen Vizemeister. Genau das ist Sushil nämlich, wie er mir beim Mittagessen eröffnet. Für ihn sind die Stromschnellen ein Klacks. Er kennt die Gewässer wie seine Westentasche und ist hier am Fluss aufgewachsen. So kennen ihn die Leute in dem einsamen Dorf, an dem wir unsere Lunchpause einlegen.



Das einzige Dorf weit und breit. Eingekesselt von grünen Bergen im nepalesischen Dschungelgeflecht. Wir sind ganz allein auf dem Fluss. Keine Menschen Seele. Absolute Ruhe und das Rauschen des Flusses. Zwischendurch sieht man ein paar Affen, dann einen einsamen Wasserfall, der durch das Geflecht des Dschungels direkt vor dir in den Fluss stürzt. Ganz allein. Ein echter Traum, was aber vor allem daran liegt, dass noch keine Saison fürs Kajaken ist.





So verwundert es auch nicht, dass mich die Kinder in der einfachen Hütte aufmerksam beäugen und begutachten, während wir im kleinen offenen Verhau auf unsere frisch im Wok brutzelnden Nudeln warten. Ein alter Mann begrüßt mich mit den Worten: «Ah, du bist Kajaken? Sehr schön. Meine Schwester ist letztes Jahr beim Kajaken gestorben.« ALTER! Is jetz n Stimmungskiller. Die Ergänzung «Aber in Indien«. Beruhigt mich nur unwesentlich.





So bin ich direkt deutlich aufmerksamer als ich die nächsten Stromschnellen durchfahre. «Ich zeige dir, wie du dich einfach wieder aufrichten kannst, wenn du umkippst. Ohne auszusteigen«, beginnt Sushil auf einer der ruhigen Stellen im Fluss. «Eskimorolle!«


Wie das geht? Auf den Kopf drehen. Paddel am Kanu eng nach vorn anlegen. Paddel unter Wasser 90 Grad nach oben drehen. Und mit Schmackes aus dem Wasser drücken. Sieht einfach aus, als Sushil es mir vorführt. «Jetzt du« meint er. Also drehe ich mich auf den Kopf…Paddel nach oben und …


Zack ganz easy komme ich NICHT mal mit der Nasenspitze aus dem Wasser.

Kippe direkt wieder auf den Kopf. Bekomme keine Luft mehr und bin eingeschnürt im Röckchen am Kajak. Unter Wasser. Leeeeeiiiichteeee Panik macht sich durchaus bei mir breit, während ich weiter kopfüber unter Wasser den Fluss entlang treibe. Ich suche den RÄÄÄTUNGSCHNIPEL! Gefunden! Raus und japsend halte ich mich am treibenden Boot fest. Dat war wohl eher nix.


«Du musst deinen tollen Hüftschwung nutzen, um aus dem Wasser zu kommen. Dann ertrinkst du auch nicht« meint Sushil lachend während er das vollgelaufene Kajak auf den hinteren Teil seines Bootes legt und dabei wippend das Wasser Schwapp für Schwapp herausschüttet. Die Technik hatte ich auch noch nicht gesehen…Boot entleeren im Wasser……….übrigens schaue ich dabei immer noch schwimmend zu.


Wieder im Boot, etwa 8 Stromschnellen und 5 Stunden später kommen wir in einer kleinen Lagune an. Unser Nachtlager. Geschafft. War ja doch gar nicht so schlimm mit dem richtigen Hüftschwung.


«Wie gehst dir? Fit?« fragt Sushil. «Ja, Gut!« erwidere ich nichtsahnend, dass das die falsche Antwort war. Denn jetzt üben wir Eskimorollen in der seichteren Lagune des Flusses. Zusammen. Sushil sichert mich am Heck des Bootes, um mich im Zweifel wiederaufzurichten.


Auf den Kopf drehen. Paddel senkrecht nach oben. Aus dem Wasser hochdrücken.

Kurz das Sonnenlicht erblicken – freudig grinsen - direkt merken, dass der Schwung nicht reicht -zurück kopfüber ins Wasser kippen - enttäuscht unter Wasser «Scheiße« rufen - sich aus dem Kajak retten.………..


Einmal. Zweimal….Zehnmal. Insgesamt etwa 60 Mal. Ungelogen.

Ich schlucke ungefähr 12 Liter Wasser und bin klatschnass. Von oben bis unten. Das Wasser ist aber zum Glück nicht so kalt. Ich würde mal 18 Grad oder in Herrenmaßen 12cm schätzen. Also durchaus angenehm. Je nach Geschmack etwas zu wenig um gut zu plätschern aber für ne kurze Abkühlung ganz okay. Doppeldeutigkeiten sind reiner Zufall.


Zurück zum Thema….Und tatsächlich schaffe ich es ganze zwei Mal mich selbst wiederaufzurichten, ertrinke aber dem entgegenstehend auch fast 15mal. Laut Sushil aber eine durchaus passable Rechnung.


Langsam dämmert es. Die Lagune ist idyllisch. Direkt am Wasser schlagen wir unsere Zelte im feinden Ufersand auf umgeben von wunderschönen Hügeln, deren grün langsam im abendlichen Nebel zu grau verschwimmt.





Nur ein paar hundert Meter oberhalb liegt das Dorf in dem Sushil aufgewachsen ist. Ich sag ja, er kennt den Fluss und ich fühle mich verdammt gut aufgehoben bei ihm.


Er nimmt mich mit zu seiner Familie, die wir kurz vor der Dämmerung begrüßen. Ich bin eingeladen zum Abendessen. In der Ecke köchelt das Feuer in einem kleinen Holzverschlag. Davor sitzt im Schneidersitz die Mutter der Familie und bereitet auf dem Offenen Feuer und im Eisenkessel das Essen zu. Die Männer sitzen auf dem hölzernen Boden vor dem einfachen Haus und heißen mich willkommen. Es gibt einen Milchtee, wie immer in Nepal als Begrüßung.




Das finde ich übrigens immer toll. Egal wo man hingeht wird man meist zu einer Tasse Tee eingeladen. War ja auch in der Mongolei schon so. Das ist so ein nettes Zeichen von Gastfreundschaft. Und darüber hinaus hat man bei einer Tasse Tee immer die Möglichkeit den anderen kurz kennenzulernen.


Diese 5 Minuten haben mir schon oft unverhofft zu tollen Tipps und Menschen verholfen. Und wenn es nicht passt, kann man den Tee auch runterstürzen. Die Trinktemperatur sollte dabei jedoch im Auge behalten werden, um eine tagelang anhaltende pelzig verbrannte Zunge zu vermeiden. Da muss man eben abwägen. Der schlaue Gastgeber brüht also heiß auf. Vielleicht kommt daher die Redewendung, wenn ein Gespräch langweilig ist, «das ist doch alles Kalter Kaffee« oder Tee.


Mein Tee auf der Bambusmatte vor dem Haus im Alubecher schmeckt übrigens hervorragend und hat genau die richtige Temperatur. Insbesondere auch deswegen, weil Sushil mir dazu noch einen zweiten Alubecher mit durchsichtiger Flüssigkeit hinstellt. Roxi. Der nepalesische Schnaps oder «nepalesischer Wein« wie Sushil ihn nennt. Den kenn ich ja noch vom Everest und den Tagen mit meinem Sherpa Sudib (Link Blog Everest).


«Selbstgemacht « meint Sushil. Und das schmeckt man. War der Roxi am Everest etwas kratzig und wirklich stark. Ist dieser wirklich weich im Abgang…mit Raucharomen in der Nase, einer Note Vanille am Gaumen und etwas Kuhfladennuancen im Nachgang. Nur Spaß. Schmeckt eher wie Grappa…und im Unterschied eben wie guter oder schlechter Grappa.


Während ich meinen Apparativ genieße tänzelt eines der Kinder seit geraumer Zeit um mich herum und beäugt mich beim Essen minutenlang. Seine Nichte, meint Sushil. Sie ist zu Besuch hier und hat noch nie einen Ausländer gesehen. Sie würde gern mit mir reden, traut sich aber nicht, meint er.


Also frage ich sie nach der Schule. Aber das Interessiert sie mal gar nicht. Ich werde nach dem ersten Satz im Grunde ignoriert und ausgefragt. Es sprudelt aus ihr heraus und sie spricht echt gutes Englisch….sie will wissen, wo ich herkomme, wo ich hin will, in welchen Ländern ich war, wieviel Gepäck ich habe und warum ich denn zum Teufel überhaupt keine Frau habe. Meine Gegenfrage, ob sie denn einen Freund hat, erwidert recht kurz mit «Warum?«. Lustig die Kleine und schlau. Hier auf der Bambusmatte im nepaleschen Dschungel.





Später am Abend quatsche ich noch ein paar Minuten mit Sushil vor den Zelten in der Lagune. Ein wirklich wirklich magischer Ort. Der Fluss rauscht vorbei. Den weißen weichen Sand der Lagune unter den Füßen. Roxi im Becher in der Hand und der Vollmond erhellt die Szene. Links und rechts die Schatten des Dschungels, die nur noch als Silhouette erkennbar sind und vor dir das glitzernd des Mondscheins im Wasser und die Tiergeräusche des Dschungels.





Ich frage Sushil, was es denn hier eigentlich noch für Tiere gibt. «Naja, Affen hast du ja gesehen. Rehe. Sonst noch Tiger und die Leute am Fluss haben ihm heute gesagt, dass sie jetzt schon fünf Alligatoren im Fluss gesehen hätten. Was ungewöhnlich ist, da sie eigentlich hier in der Gegend nicht vorkommen, sondern erst in anderen tiefer gelegenen Flüssen.« Und dann fragt er mich allen Ernstes, ob Alligatoren denn gefährlich sind für den Menschen, lacht und legt sich schlafen.


Deswegen der Roxi. Ich verstehe. Gute Nacht.


Der nächste Morgen ist genauso magisch wie der Abend, als ich im Dunst des vom Morgentau dampfenden Dschungels mein Zelt öffne.





Wir frühstücken wieder bei der Familie und legen los. Letzter Tag. Hoffentlich nicht wirklich der letzte, denn dank der Alligatoren Story werde ich jetzt tunlichst vermeiden ins Wasser zu fallen, wenn es geht. Jedoch sieht Sushil, dass etwas anders. «Wenn du umkippst dann wahrscheinlich heute. Es gibt zwei Stellen, die schaffen im Normalfall nur Profis, ohne zu kentern. Aber vielleicht packst du´s ja«


Erste Lektion auf dem Fluss daher: Erneut Eskimorolle. Gestern bin ich auf dem Fluss ja kläglich gescheitert. Heute habe ich jedoch viel zu sehr Respekt vor den vermeintlichen Alligatoren, dass ich nicht minutenlang neben dem Boot herschwimmen will, falls ich es nicht schaffe.


Also höchste Konzentration. Durchatmen. Blick auf die Bootspitze. Ruder anlegen. Nochmal tief einatmen. Und JETZT. Luft anhalten. Eintauchen. Ruder senkrecht. PUSH!!!! Hochdrücken und Hüüüüüffffteeeee nicht vergessen.


Und tatsächlich ICH BIN WIEDER OBEN.

Sushil und ich klatschen uns ab und ich freue mich echt. Weniger über die Leistung, als dass ich nicht wieder schwimmen muss. Das zweite Mal direkt nach dem ersten Versuch klappt auch und das nimmt Sushil auch mit der Kamera auf:





Gar nicht mal schlecht und auch nötig. Denn dafür kommen jetz die richtig großen Stromschnellen, meint Sushil direkt im Anschluss an den Erfolg. Ich keuche noch von der Eskimorolle da geht es schon hinein. «Ich dachte gestern, die waren schon groß«, gebe ich Sushil zu bedenken. Der aber kurz nur auf das Paddeln verweist.


Als wir eintauchen wird mir echt mulmig. Man sieht die Strudel richtig. Gegenströmungen und wirklich große Wellen von Links und rechts die durch die engen Felsschluchten an den Ufern aufgetürmt werden. Der Fluss der sonst gut 20 bis 40 Meter misst, wird hier gern mal auf 5 Meter geschröpft, durch die die Wassermassen eben hindurchmüssen. Das Ganze ergibt dann eben einen Wasserpark der anderen Art. Nur ohne Bademeister in Achtzigerjahre Badeslip und Bierbauch.


Wenn ich mich in die Wellentäler hinstellen würde, würde man die andere Seite nicht mehr sehen. Wirklich. Ich fühle mich wie auf hoher See oder im Boot mit George Clooney im Film “Der Sturm“ als er mit voller Kraft versucht den Wellenkamm mit seinem Kahn zu erklimmen. Nur sind meine Wellen nicht nur von vorn.


Wie bei George Clooney. Das wäre kein Problem. Meine Wellen kommen von allen Seiten. Was n Weichei der George. Irgendwie versuchen als Spielball der Wasserkräfte halbwegs gerade da durchzukommen. Ich springe hoch in die Luft und klatsche immer wieder hart auf. Bis einen die nächste Welle trifft. Paddeln, paddeln. Wenn du querkommst, hast du verloren. Der Blick geht starr geradeaus und im Augenwinkel versuche ich die Wellen von den Seiten zu erahnen. Paddeln, paddeln, paddeln und balancieren.


Dann trifft mich die eine Welle, die ich nicht sehe, dafür um so heftiger und mein Boot dreht sich. Ich bin plötzlich rückwärts im Wassergemenge und versuche mit aller Kraft gegenzusteuern, um wieder in Spur zu kommen. Doch bevor ich den zweiten Ruderschlag überhaupt setzen kann trifft mich wieder eine Welle und mit einem Schlag ändert sich meine Aussicht nach vorne in ein rauschendes milchiges Gemisch aus Wasser und Sauerstoffblasen, die an meinem Gesicht vorbeiziehen.


Im Gegensatz zu gestern und zu meiner eigenen absoluten Überraschung behalte ich aber die Ruhe und versuche tatsächlich das Ruder anzulegen, Kopf nach vorne und mich mit der Eskimorolle wiederaufzurichten. Es klappt aber leider diesmal nicht. Auch der zweite Versuch scheitert und die Luft wird knapp also ziehe ich an meinem Rettungsschniepel, um mich zu befreien.


Japsend tauche ich auf und sehe die nächsten Wellen auf mich zurollen, die ich auch erstmal gepflegt wegatme. Sushil kann ich erst nach einer Weile zwischen den Wellenkämmen erkennen, der nach rechts winkt. In der Einweisung hatte mir Sushil erklärt, dass er mir mit einem aufgerichteten Ruderschwung anzeigt an welche Seite des Ufers ich schwimmen soll, wenn ich kentere.


Das Schwimmen gestaltet sich aber, doch etwas schwierig in den Wellen. Ein Zug nach rechts und die nächste Welle schiebt mich ohne jegliches Problem wieder in die Mitte des Flusses. Da knalle ich auch schon mit dem Knie auf einen Felsen im Fluss. Heftig. So einen echten Schwerzschrei hatte ich lange nicht mehr von mir gegeben. Während ich auch schon die Tour verfluche.


«Okay…beruhig dich. Du hast ne Weste an. Füße voraus und lass dich erstmal durch die schlimmsten Wirbel treiben.« sage ich zu mir und streife die nächsten Felsen mit den Füßen voraus.


Durch die Wellen sehe ich eine Felswand auf ich zu kommen. Also muss ich jetzt doch schwimmen. Ich habe mächtig zu kämpfen. Und muss mich tatsächlich immer wieder zwingen weiter zu machen. Es ist wahnsinnig ermüdend. Ich komme nicht voran. Wieder ein Felsen, dem ich ausweiche. Also wieder kurz treiben lassen. Ich weiß wirklich nicht wie lange es gedauert hat, bis ich endlich etwa zwei Meter vom Ufer einen aus dem Wasser ragenden Felsen zu fassen bekomme. Ich schnappe mit letzter Kraft zu, halte mich und versuche mich gegen die Strömung aufzurichten. Noch ein wenig Wasser geschluckt und ich kracksele zum Ufer.





Ich bin total erledigt, muss mich setzen und erstmal ausruhen. Ich ringe wirklich nach Luft und huste mir die Seele aus dem Leib. Als ich nach gut 10 Minuten Keuchens wieder halbwegs denken kann, fängt das Knie an zu wummern. Das Knie und Bein haben ein paar Schrammen abbekommen und schmerzen. Sh….Aber wie immer: ich wollte ja Abenteuer und denke an Samuel Johnson


«Vorsicht ist die Einstellung, die das Leben sicher macht, aber selten glücklich«.




«Tut gar nicht mehr so weh« denke ich noch bis ich versuche ins Boot einzusteigen, dass Sushil mittlerweile ein ganzes Stück weiter unten am Fluss geborgen hat. Es tut weh. Und macht den Hüftschwung nicht mehr so geschmeidig. Hier wird mir dann auch bewusst, dass ich weiter machen muss. Einfache Hilfe gibt es hier gerade nicht. Die einzige Möglichkeit ist das Boot. Aufhören is nich. Also weiter.


Ich konnte wegen fehlender Befestigung für die Gopro keine Aufnahmen der Stromschnellen machen. Es gibt aber ein gutes Youtube Video dazu:





Wir nehmen noch zwei der großen Stromschnellen. Die ich auch gut mit meistern kann, obwohl mich jedes Mal fast die Kräfte verlassen. Bei der letzten und allergrößten, wie Sushil meint, bin ich aber einfach zu platt. Sushil sieht das uns schlägt vor «Lass uns im Tandem durchfahren«, worüber wirklich froh bin. Wir haken uns Gegenseitig ein und halten uns am Boot des Anderen fest. Wie ein kleiner Katamaran rutschen wir in die nächste Stromschnelle. Als ich die Wellentäler sehe, bin ich erleichtert über die Erfahrung von Sushil. Das hätte ich niemals geschafft, während unser kleiner Katamaran durch die Wellen springt.


Geschafft. Jetzt schippern wir nur noch ein paar Kilometer den seichten Fluss entlang. Keine Stromschnellen mehr. Der Fluss wird breiter und ruhiger. Und bei mir macht sich echte Erleichterung breit. Nicht von Alligatoren gefressen worden. Check. Dank Hüftschwung nicht ertrunken. Auch Check. Dazu kommt ein wenig Stolz, im Himalaya Kajaken gewesen zu sein und jetzt ein Meister der Eskimorolle zu sein. Also in ca. 10 Prozent der anwendbaren Fälle. Aber vor allem bin ich geschafft. Und schlage recht schlapp mit Sushil ein, der mich beglückwünscht als wir unsere Boote an den Sandstrand des Seti River ziehen und ich mir eine Flasche Wasser ohne Abzusetzen in den Hals stürze. Was für eine Erfahrung.






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