Sascha @ YOLO andersWO
Transsibirische
Aktualisiert: 17. Juli 2019
Platznykartny....So heißt die dritte Klasse in den Zügen der transsibirischen Eisenbahn. Ich fahre das erste Mal in der dritten Klasse von Kazan nach Jekaterinburg. Für den Nachtzug werde ich 13 Stunden unterwegs sein- für russische Verhältnisse nicht wirklich viel. Der Preis für 1900 Rubel aber durchaus.
Mittlerweile fühlt sich das Bahnfahren auch ganz anders an. Vor der Reise habe ich mit Graus an die 8, 10, 15, 24 Stunden Zugfahren gedacht. Das ist auch durchaus nachvollziehbar, wenn man die deutsche Bahn gewohnt ist. Aber in Russland ist das Zeitgefühl ein anderes:

Ich steige in den Zug ein – der wie immer auf die Sekunde pünktlich am Gleis auftaucht – Pass und Ticket Kontrolle durch die Zugbegleiter, der für jeden Wagon bereitsteht. Peinlich genau werden die Daten auf den Tickets überprüft. Dann Abteil und den gebuchten Platz finden – wichtig das Ticket richtig lesen: MECTA ist die Bett/Sitzplatznummer, die immer in der Mitte des jeweiligen Abteils steht.
In der dritten Klasse reisen dann pro Wagon noch 54 Andere mit - in der zweiten Klasse sind es etwa 30.

Als nächstes Gepäck verstauen – unter dem Sitz oder oberhalb der oberen Pritsche ist ebenfalls eine Ablage. Da findet meist meine Gitarre Platz, die häufig das Nadelöhr im Zug ist. Bisher hat es aber immer geklappt, dank der freundlichen Russen, die häufig auch nur mit einem Handtäschchen und nem Beutel Verpflegung zwei Tage reisen.
Dann kommt auch schon die Zugbegleiterin und will mein Ticket noch einmal sehen – das dann auch von ihr einbehalten wird. Sie schaut, ob ich Bettzeug gebucht habe, was standardmäßig aber immer enthalten ist. Dieses bekomme ich dann auch gleich gereicht – steril in Plastiktüte verpackt Bettlaken, Bezug für Kissen und Decke und ein kleines Handtuch.

Die Plastiktüte hält dann auch gleich als Müllbeutel für die Fahrt her, der alle paar Stunden von den Zugbegleiterin eingesammelt wird. Dann das Bett beziehen...Alle machen das nacheinander, sonst kommt man sich in der Enge doch etwas ins Gehege. Das funktioniert auch ohne Worte.
Die Russen werfen sich dann ganz schnell in Ihre Transsib Ausgehuniform
Adiletten, kurze Hose oder Leggins und T-Shirt oder wahlweise auch Oberkörperfrei.

Bequem will man es haben, und man zieht sich entweder auf dem Klo oder in der zweiten Klasse – wenn man denn da fährt – im Abteil um. Sind Frauen anwesend, gehen die Männer so lange aus dem Abteil. Sowieso haben die Russen im Zug nur wenig Berührungsängste. Schnell wird sich häufig vorgestellt und über irgendetwas gesprochen. Natürlich erstmal wohin die Reise geht und wie man heißt. Meist verstehe ich das Meiste dann leider nicht und bei mir dauert die Gesprächsaufnahme durch die Sprachbarriere meist auch etwas länger.
Was würde ich jetzt gern mehr russisch können.
Aber naja…et is wie et is, habe ich als Kölner ja nun mal verinnerlicht. Okay…das Bett gemacht die Mitfahrer begrüßt …durchatmen….ein Kaffee oder Tee vielleicht? Klar. Ab zum Samowar, dem Heißwasserbeuler, der sich in jedem Abteil befindet und mit jederzeit brühend! Heißem Wasser aufwartet. Ich krame aus meinem Verpfelgungsbeutel eine kleine Tüte Instantkaffee und mache mir eine Tasse in meinem faltbaren Becher, den ich mir noch in Deutschland extra für genau diesen Zweck besorgt habe – merke: Tasse oder Faltbecher sind in der Transsib pflicht – zumindest wenn man mal n Tee oder Kaffee will.

Dann etwas Musik, Gespräche, am Blog oder der Seminararbeit geschrieben. Auf die Uhr geschaut….zehn Stunden schon rum?! Ja, wie im Flug. Eben ein anderes Zeitgefühl. Zehn Stunden Bahn fühlen sich hier an wie 3-4 in Deutschland, was natürlich vor allem daran liegt, dass man eben nicht nur auf dem harten Sitz sitzt, sondern liegen, sitzen, stehe, aus dem Fenster schauen, Kaffee trinken, durch den Zug laufen, sich unterhalten oder essen kann.
Insbesondere zum Essen greifen die Russen und auch ich auf Instantnudelsuppen zurück. Meist gegen 18-20 Uhr Abend begibt sich einer nach dem anderen mit seiner Plastikschale der Instantnudeln zum Samowar um diese dann am Platz mit etwas Brot zu verzehren. Übrigens können meist nur zwei Leute gleichzeitig am Tisch sitzen. Daher wird sich dann einfach immer abgewechselt und wohlwollend der Platz angeboten, wenn einer der Mitfahrer mit seinen Nudeln zurück ins Abteil kommt. Meine Verpflegung besteht für 22 Stunden fahrt aus zwei Instantnudelsuppen, ein Weißbrot, einen Nachmittagstrockenkuchen, zwei Falschen Wasser je 1,5 l, Teebeutel und 2 Beutel Instantkaffee und Kekse.

Letztere sind insbesondere dafür da um zu teilen und sie den Mitfahrern anzubieten, was für mich auch immer die Beste Möglichkeit bot ins Gespräch zu kommen und Barrieren abzubauen. Denn Großzügigkeit wird in Russland ganz groß geschrieben. Gerade von Ausländern wird es nicht erwartet aber doch sehr gern gesehen, so mein Gefühl. Gut, wo ist das nicht so?
Ab etwa 23 Uhr gehen die Lichter aus. Jeder hat aber zum Zweifel noch ein Nachtlicht über dem Bett. In der zweiten Klasse gibt es sogar Steckdosen und USB Anschlüsse über jedem Bett. Dies fehlt in der dritten Klasse jedoch. Falls man aber mal dringend Strom braucht, kann man aber problemlos auch durch den Zug in ein zweite Klasse (Kupe) Abteil laufen und sich dort auf eine der Klappstühle im Gang setzen, neben denen immer eine Steckdose ist. Die Grenzen im Zug sind also offen. Sind die Lichter einmal aus, wird es auch meist schnell ruhig im Zug. Man nimmt normalerweise Rücksicht und die Leute die noch weiter wach sind, gehen in den Restaurantwagen, wo es übrigens auch Bier, Instantnudeln, Süßigkeiten etc zu kaufen gibt.
Schlafen ist so eine Sache in der Transsib. Im europäischen Teil zum Beispiel von St. Petersbug nach Moskau oder Moskau nach Kazan habe ich mich wie in einer Kinderwiege gefühlt. Der Zug hüpft ganz langsam und sanft auf und ab, so dass ich geschlafen habe wie eine Baby…..also ein ruhiges nicht schreiendes Baby, dass nicht alle zwei Stunden aufwacht….sondern ein friedlich schlafendes Baby, bei dem die Eltern glücklich sind, dass es so pflegeleicht ist. Ab der Grenze zu Asien – also ab Jekaterinburg – wurde das schlagartig anders. Die Strecken werden zwar landschaftlich schöner aber die Gleise dafür deutlich schlechter,
sodass ich auf der Fahrt von Jekaterinburg nach Novosibirsk nachts um drei fast aus dem Bett gefallen wäre.
So schlafe ich dann doch eher 3-4 Stunden im Zug und döse dann am Morgen noch ein wenig im Zug. Das machen aber auch die Russen so. Da es keine Vorhänge für die Fenster im Zug gibt, scheint spätestens ab 6 Uhr die Sonne ins Gesicht. Die Zeit verkürzt sich dann noch ein wenig, da ich ja nach Osten fahre und auf nahzu jeder Fahrt ein bis zwei Zeitzonen durchquere und die Sonne damit ein bis zwei Stunden eher für mich aufgeht.

Meist ist es dadurch morgens bis etwa 9 Uhr im Zug noch generell recht ruhig, da die meisten irgendwie noch dösen oder nicht ganz wach sind. Erst ab dann beginnen die meisten dann mit einem Instantnudelfrühstück.
Verschlafen kann man in der Transsib übrigens nicht.
Etwa 30-45 Minuten vor dem gebuchten Fahrtziel kommt die Zugbegleiterin an den Platz, gibt einem das Ticket zurück und weißt daraufhin, dass man bald das gebuchte Ziel erreicht. Gleichzeitig gibt sie zu verstehen, dass man doch Bitte das Bettzeug abziehen und ihr bringen soll, was ich natürlich auch tue. Kurz vorm Bahnhof wirft sie sich dann auch wieder in Ihre blauen Bahnuniform mit obligatorischer Schiffchenmütze. Während der Fahrt sind die Zugbegleiter eher Models für jegliche Art von Kleidung….erst sieht man sie in der offizielle Uniform zur Ticketkontrolle, dann in Freizeitkleidung, dann mit wunderschöner DDR-Kittelschürze und Kopftuch beim durchwischen des Zuges (was etwa alle 8 Stunden passiert), dann im Schlafanzug in der Nacht und dann wieder ganz offiziell in Uniform zum Abschied.
Aliona - Eine Russin, die ich später kennenlerne und die 5 Jahre lang Zugbegleiterin hier war, erzählt mir, dass die Zugbegleiter wirklich tagelang in dem Zug in ihrem kleinen Abteil, dass am Beginn eines jeden Wagons beim Samowar ist, verbringen. „Und Hygiene?“ , frage ich. „Naja, ganz früh morgens macht man die Toilette richtig spiegelblank und absolut keimfrei sauber. Und dann duscht man sich da.“ Aber man hat natürlich auch immer Aufenthalte in Städten, wo man dann in Unterkünften ist. Abenteuer ja, aber das wäre dann doch nich meins, denke ich.