Sascha @ YOLO andersWO
Wüstennacht und Schnellbeziehungen - Jaisalmer, Indien
Aktualisiert: 25. Mai 2020
Es ist kühl, als ich aufwache. Ich liege im Sand und spüre dessen kalte Feuchte, die mir eine kleine Gänsehaut beschert, als ich die Hand danach ausstrecke. Um mich…das Sandmeer… in mitten der Wüste Indiens, von der ich vor meiner Reise gar nicht wusste, dass sie existiert.
Dünen und Verwehungen sind schemenhaft im Dunkeln der Nacht auszumachen. Ich drehe mich kurz nach links und höre den Sand unter mir rascheln. Das Handy verrät mir …4 Uhr morgens. Ich drehe mich zurück und nachdem sich meine Augen von dem grellen Licht des Smartphones erholt haben, bemerke ich das tiefschwarze Sternenzelt weit über mir ausgebreitet mit seinen tausenden funkelnden Punkten, die immer mehr werden, sobald sich meine Pupille langsam an die Dunkelheit der Nacht gewöhnt.

Der butterweiche Sand gleitet unter meiner Hand weg, als ich mich aufrichte, um dieses Schauspiel zu betrachten, dass mir den Mund offen stehen lässt. Es sieht tatsächlich wie eine Kuppel aus, die mich umhüllt. Von nichts unterbrochen...Dünen und Himmelszelt.
Ich fühle mich, wie bei den Vorführungen im Planetarium, die ich immer so geliebt habe…,wenn es dunkel wird im Raum, mystisch anmutige Musik zu spielen beginnt, der Blick nach oben gerichtet und langsam bewegt sich das Sternenbild über einem von der einen zur anderen Seite. Wundervoll und entspannend, wenn im Planetarium dann nicht immer einer irgendwas informatives reinquatschen muss.
Ich fühle mich wie im Planetarium…nur eben in echt und es quatscht keiner.

Ich kann richtig sehen, wie die Sterne sich bewegen, wenn ich einen Punkt am Horizont fixiere. Im Augenwinkel blitzt ein langer Schweif auf. Klar und deutlich. Nicht nur einer….Ein wahrer Sternschnuppenregen zieht seine Bahn rechts von mir. Lange leuchtend kann ich den Meteoriten beim Zerfall zusehen. Fürs Wünschen bleibt da ne Menge Zeit. Nur muss ich mir grad nichts wünschen. Ich fühle mich ehrlich gesagt ganz glücklich. Zufrieden. Entspannt. Irgendwie eins mit dem Himmel und dem Sand. Keine Wand zwischen mir und der Natur. Das will was heißen 4 Uhr morgens.


Die Wüste in Indien….Es wird eines der unverhofften Highlights meiner Reise bisher. Nur wusste ich das noch nicht, als ich zwei Tage zuvor in den Zug von Jodhpur nach Jaisalmer steige. ….Rüüüüückblende….
Mittlerweile routiniert verstaue ich mein Gepäck und hüpfe behände auf das obere Bett im Vierer Schlafwagenabteil des Zuges. Mir gegenüber liegt Michael mit dem ich ins Gespräch komme.
«Sag mal …wir kennen uns doch irgendwo her?« Ja, tun wir. Michael aus Belgien hatte ich zuvor in Jodhpur flüchtig getroffen. Und wir haben uns sogar unterhalten. «Genau auf der Burg in Jodhpur«….Ich hatte dem ein oder anderen Fotografen auf der Burg zum Sonnenuntergang, dass tolle Motiv mit der blauen Stadt umrahmt von den blutroten Rosen empfohlen. Das ddaaaaa….

Das hat Michael auch dankend zur Kenntnis genommen - Insgeheim jedoch mit einem innerlichen Schmunzeln, wie er mir verrät. Denn das, was ich als wunderschöne Rosen bezeichnet habe, sind eigentlich ..ähhh….hab´s schon wieder vergessen. Sorry, Michael…Andere Blumen auf jeden Fall. Ja, Michael ist in der Floristikbranche zu Hause, kennt sich da natürlich bestens aus und ist auf Rundreise durch Indien und die Andamanen.
Wir kommen – eine Nacht und einige Schwätzchen und Schläfchen später - in Jaisalmer an. Am Bahnhof wird Michael bereits von einem Angestellten seiner Unterkunft mit Motorrikscha erwartet und Michael bietet mir an, mich mitzunehmen.
«Das ist die einzige Stadt in Indien, in der du im Fort wohnen kannst!«
...also in der Burg...ergänzt der Angestellte von Michaels Unterkunft. «Du kannst dir unsere Unterkunft gerne anschauen und siehst gleich noch die Stadt« meint er auf dem wuseligen Vorplatz des Bahnhof, bei dem wir von Rikschas umringt sind. Ich habe zwar schon eine Unterkunft für eine Nacht gebucht, «Aber…Warum eigentlich nicht«, denke ich. Eine Rikscha vom Bahnhof oder von der Burg zu meiner Unterkunft ist ungefähr der gleiche Weg und die liegt nicht im schönen Fort. Also steige ich dankend ein.
Die Rikscha hält an einem großen Platz kurz nach dem wir das imposante Tor zum Fort passiert haben. Im Fort selber sind keine Autos oder Rikschas mehr erlaubt. Wir steigen aus im Getümmel des Platzes, der geradezu mittelalterlich wirkt. Verkaufsstände überdacht mit buntem Segeltuch auf Holzstangen säumen die Seiten des Platzes. Kreuz und Quer laufen die Menschen, feilschen, essen, steigen zu und aus den Rikschas. Umgeben ist das alles von sandfarbenen Burggebäuden, die scheinbar willkürlich das Bild der Gassen zeichnen, die jetzt eng sind und nur noch Platz für ein bis zwei Menschen lassen.


Voll bepackt mit unseren Rucksäcken und Gitarre natürlich geht es nun zu Fuß weiter in die Stadt, die goldene Wüstenstadt, die ihrem Namen tatsächlich alle Ehre macht. Zumindest das Fort, das wirklich gemütlich und kühl in den Gassen auf mich wirkt und durch die Zeiten glatt geschmirgelten Fassaden sandgelb glänzt. Der Straßenlärm und das ewig währende Gehupe des Verkehrs in Indien verstummt ganz plötzlich. Nichts zu hören als wir an einem kleinen Hauseingang halt machen.
«Das ist es.« meint Michael. Wir steigen eine steile enge Treppe hinauf zur Terrasse, die an römische Caesarenzeit mit roten Umhängen und Säulen erinnert und bekommen erstmal einen Kaffee, um die Zeit zu überbrücken, bis mir der Angestellte ein Zimmer zeigt. Die Zimmer sind ein wenig wie aus tausend und einer Nacht – schön – mit bunt bestickten Kissen und Laken und orientalisch anmutende Fensterläden mit Blick auf den Tempel der Stadt, der mit seinen spitzzulaufenden Türmen imposant das Zentrum des Forts ziert. Das Guesthouse heißt übrigens "Diamonds Guesthouse" und kann ich nur empfehlen...Link Diamonds Guesthouse, Jaisalmer..

Den Tempel schmücken übrigens rot-weiße lange Bandfahnen, die an den Spitzen der Türme befestigt sind und gut 10m entlang dieser hinabreichen. Wie die Fahnen verziert sind, sehe ich aber erst bei dem zweiten Blick. Swastika. Wer nicht wissen sollte, was das ist.....süße….kleine….Hakenkreuze.
«Rot-weiß-rote Bandfahnen und Hakenkreuze?!«….
«Nett hier.« (Sarkastischer Unterton…lange anhaltend.). Das Bild erinnert tatsächlich eins-zu-eins an den ein oder anderen Nazi Film, bei dem Adolf gleich im Benz vorfährt.

Ich bin mir tatsächlich nicht ganz sicher ob ich das Bild so hochladen darf. Lieber Verfassungsschutz….bitte gebt mir einfach Bescheid falls das irgendjemanden aufs Gemüt schlägt. Das ist ein Reisebericht.
In Indien bin ich die Runen aber schon gewohnt, wie auch in Nepal übrigens, die im Grunde an jeder zweiten Haustür oder eingerahmt in die Gitter von Toren und Türen zu finden sind. Im Buddhismus und Hinduismus gilt die Swastika einfach als Glücksymbol und hat keinerlei Bezug zu dem was die Nazis draus gemacht haben. Wobei ich mir als Hindu schon überlegen würde, ob das Symbol soviel Glück bringt. Das mit dem glücklichen Großreich hat ja nicht so prima funktioniert.
Kleiner Einschub in eigener Sache: Ich bin ja gespannt auf welcher Liste des Verfassungsschutzes ich jetzt lande mit dem Blog. «Hakenkreuze« «Nazis« und «Adolf« in einem Absatz war vielleicht etwas unüberlegt…und wiederholt habe ich es jetzt auch noch (Hand-gegen-die- eigene-Stirn-Hau). Aber so sind nun mal die Tatsachen hier in Indien. Also nochmal …«lieber Verfassungsschutz….bitte einfach Bescheid geben, falls das so nicht in Ordnung sein sollte.…es lässt sich alles ändern. P.S. Dicker Schmatz ans Kölsche Bundesamt, Sascha.«
Das Zimmer im Gasthaus, ist mir leider etwas teuer. Also wird verhandelt, was das Zeug hält, wie immer in Indien.
In den meisten asiatischen Ländern habe ich übrigens die Erfahrung gemacht, dass der Preis gegenüber Westlern rund bei dem dreifachen des Normalpreises liegt.
Also fange ich beim Verhandeln mit etwa 20 Prozent des Ausgangspreises an. Am Ende komme ich dann meist auf 30 Prozent des anfänglich genannten Preises. Verhandeln ist Pflicht in Asien. In Deutschland wohl nicht ganz vorstellbar. Versuch mal beim Bäcker das Stück Kuchen für 2€ zu kaufen und frag die Kassiererin einfach…«geht auch 50 Cent?«. Naja,…wenn er von gestern ist, vielleicht. Also der Kuchen, nicht der Bäcker.
Auch im Guesthouse lässt sich für mich ein Deal aushandeln. Ich bekomme einen verdammt guten Zimmerpreis und eine Nacht umsonst, denn der findige Angestellte hat mir noch eine Wüstentour verkauft. Für einen wirklich guten Preis. Upselling für ihn und ich hab meine Rabatte - Win Win sozusagen. Perfekt für uns beide. So soll es sein. Ich storniere meine gebuchte Unterkunft und bleibe.

Nachdem die Unterkunft geklärt ist, erkunde ich mit Michael die Gassen der Stadt, die uns immer wieder ein klein wenig überraschen, wo sie denn hinführen. Meist nicht gerade, sondern in Kurven, Kreuz und quer führen sie durch die schattenspendenden Häuserschluchten, so dass die Orientierung durchaus manchmal auf der Strecke bleibt und wir auch vor den Teppichhändlern der Stadt nicht Halt machen. Aber wir sind ja zum Erkunden hier.

Unser Gefühl leitet uns und führt uns letztendlich an die Ufer des Sees der Stadt. Dort erwarten uns überraschenderweise hunderte Inder, die betend am Wasserrand stehen. Einige von Ihnen bis zu den Knien im Wasser. Vor allem die Frauen mit Ihren farbenfrohen langen Kleidern. In der Hand halten sie kleine Gaben für die Götter, die sie nach dem Sprechen von kleinen in sich gekehrten Gebeten vorsichtig ins Wasser gleiten lassen.
Das gesamte Ufer ist gesäumt von diesen Gaben. Kleine mühevoll und wunderschön arrangierte Gestecke aus Gewürzen und Essbarem, das den Göttern geopfert wird.
In der Mitte meist verziert mit einer kleinen Kerze, die dann hinaus auf den See schwimmen. Es ist Sonnenfestival erklären uns die Inder und wir sind mal wieder durch Zufall zur richtigen Zeit am richtigen Ort und wir bleiben bis die Sonne langsam über dem See am Horizont verschwindet.








Wir folgen den Wegen zurück ins Fort, wo wir uns wieder vom fast einsamen und in dunkles Licht getauchten Gassengewirr gerade drauf los wieder leiten lassen. Vor uns taucht plötzlich ein kleiner Balg Menschen auf. Die Ruhe der Gassen wird unterbrochen durch das rumorende Geräusch der Menschenmenge. Ausgebreitet liegt ein langer Teppich vor uns, der irgendwo hinzuführen scheint auf der kleinen Pflasterstraße. Auf dem Teppich am Rand hunderte Paar Schuhe, Sandalen und was man sich sonst noch so an die Füße schnüren kann, die die Inder zurückgelassen haben, um dem Weg des weichen Teppichs zu folgen.
Wir tun es ihnen gleich und folgen dem Weg in einen mit gelben Blumenkränzen dicht geschmückten Durchgang, der zu einer heiligen Reliquie führt, vor der sich die Inder drängen. Vor allem die Frauen, fällt mir auf, bleiben lange stehen. Die Hände ins Gebet gelegt, Augen geschlossen und die Stirn manchmal fast verzweifelt anmutend oder weinerlich in Falten. Die mitgebrachten Bananen, Reis und alle möglich essbar oder sogar Schmuck und Geld wird den Tempelwärtern einzeln Stück für Stück und mit einem kleinen Gebet übergeben. Tiefgreifend.
Es sind die Armen, die hier eingehen, denn die Reliquie bildet den Eingang zu einem Gudwara. Einem der öffentlichen Tempel oder eher Speiseräume.
In den Gudwaras ist jeder willkommen und was sie besonders macht ist: Jeder kann hier umsonst essen.
Und Essen umsonst zieht natürlich. Es verwundert daher nicht, dass auf der offenen Terrasse des Tempels hunderte Inder dicht gedrängt wie an Perlenketten aufgereiht im Schneidersitz nebeneinandersitzen. Ein kleiner Teppich unter den Füßen und ein Aluminiumtablett mit Reis und Curry auf staubigen Boden davor, dass aus den großen Bottichen in der Mitte der Terrasse stammt. Auch uns wird ein Tablet von einem freundlich erbeieilenden Inder angeboten, was wir aber dankend ablehnen. Irgendwie fühle ich mich nicht so ganz wohl, den Armen noch die kostenfreien Mahlzeiten am Abend streitig zu machen.

Am nächsten Morgen ist die Wüstentour geplant. Morgens um kurz vor 6 Uhr ein kleines Frühstück auf der Terrasse des Gasthauses und ein Kaffee…ein Stockwerk höher auf der Dachterrasse des Gasthauses. Übrigens die höchste in der ganzen Stadt, wie mir der Besitzer versichert.
Und tatsächlich habe ich einen atemberaubenden Blick über die Stadt von hier. In Ruhe – ganz für mich- begleitet von erstem Vogelzwitschern schaue ich mir die langsam aufgehende Sonne an. Den Kaffee, die Dächer der Stadt, die sandfarbenen Türme des Tempels vor mir. Umgeben von der Weite der Wüste wird die leichte Kälte der Nacht, die mich noch umgibt, mit den ersten kräftigen Wüstensonnenstrahlen zur wohligen Wärme. Und was für Sonnenstrahlen. Ich habe tatsächlich selten so einen unglaublichen Sonnenaufgang gesehen.

Der Besitzer erzählt mir später, dass man auf der Terrasse auch übernachten kann, wenn man will. Erst vor einer Woche hat wieder ein dänisches Pärchen hier übernachtet. Das einzig blöde für ihn, erzählt er, ist dann immer, dass er sich morgens nicht traut auf die Terrasse zu gehen, obwohl er ja auch gern den schönen Sonnenaufgang sieht.
«Ich weiß ja…« erzählt er, «…das ist dann soooo romantisch da oben. Und wenn man zu zweit ist….dann weiß ich ja was dann bei den Pärchen passiert.«
Wo er recht hat, hat er recht und ich bin froh, dass gerade kein Pärchen da oben war und ich meinen romantischen Moment mit meinem Kaffee haben durfte.
Der Blick auf die morgendliche Sonne gibt mir aber schon eine Vorahnung auf das, was mich in der Wüste Indiens erwarten wird. Einzigartige Bilder und Erfahrungen.
Wir fahren gut anderthalb Stunden in die Wüste. Mit mir im kleinen Jeep sind Sara, Marie und Daniele - drei Spanier. Ja schon wieder Spanier. Im positiven Sinne. Es ist sowieso interessant auf dieser Reise, dass ich in den verschiedenen Ländern, die ich bereise, immer eine ganz bestimmte Nation von Touristen besonders häufig treffe.
Rotem aus Israel den ich in China getroffen habe, hat mir erzählt, dass es für die Israelis irgendwie im Jahr immer ein bestimmtes außergewöhnliches Trendziel gibt. Das wird auf Instagram gepostet, was das Zeug hält und dann fahren da auch irgendwie alle Israelis hin. Nur sind die Israelis an etwas außergewöhnlicheren Orten unterwegs, als der gemeine Pauschaltourist und eher die Abenteurer unter den Reisenden. Kann vielleicht daran liegen, dass hier alle zum Militär müssen, Frauen und Männer. So sind sie wohl die kleinen Abenteuer gewöhnt. (Link BLOG Lijang Crazy Couple and crazy Doctor).
Waren es in China die Israelis, die ich vermehrt treffe, sind es in Indien Spanier, in Nepal Deutsche (LINK BLOG Phokara, Nepal - Glaubt mir doch eh keiner) , auf Bali werden es Russen sein, in Russland überraschenderweise Franzosen (LINK BLOG Baikalsee, Russland - guideless), in Pakistan und Bangladesch treffe ich dagegen so gut wie keine anderen Touristen
Chinesen habe ich der Einfachheit halber mal aus der Rechnung ausgenommen. Sie sind überall und zahlenmäßig eh im Vorteil. Obwohl man sich bei den Chinesen überlegen könnte, eine Gruppe fotografierender Chinesentouris zukünftig vielleicht nur als einen Touristen zu zählen. Das würde den Touristen-Medaillenspiegel wohl wieder etwas relativieren, den sie für mich nun mal unangefochten anführen.
Zurück in den Jeep. Sara, Marie und Daniele haben ebenfalls den Job gekündigt und reisen 3 Monate durch Nepal und Indien. Nach ganz kurzem Schweigen brechen wir das Eis.
Ich finde es jedes Mal wieder spannend -auch wenn es schon so oft der Fall war auf dieser Reise - wenn du ein «Hallo« von dir zu einem vollkommen fremden Menschen gibst, lächelst, etwas Interessantes – am besten Blödes - von dir erzählst und den anderen nach seinen Erlebnissen fragst.
Wie sich dann förmliche Stille und ein scheues in sich gekehrtes Gesicht des vermeintlich fremden Gegenübers in Sekunden in das breiteste Grinsen, dass du je gesehen hast, verwandelt,
wie ich ja auch schon in Russland erleben durfte (LINK BLOG Ulan Ude, Russland - Pampabus und der Tausender)
Und zack verwandelt sich die ruhige «jeder für sich«-Stimmung im Jeep in eine angeregte Diskussion mit ausgelassenem Lachen über die zurückliegenden Erfahrungen, Fotos werden gezeigt, die Fenster des aufgewärmten Jeeps geöffnet, und mit dem Fahrtwind kehrt Leben ein und die emotionalen Hüllen, die die zuvor formalen Gesichter begruben, fallen. Nur noch lautes Lachen.

Genau so erzählen mir die drei dann auch von ihrer Autofahrt durch Indien, die aus geplanten 4 Stunden zu 12 Stunden wurde, da der gebuchte Fahrer jeden erdenklichen Umweg in Kauf genommen hat, um ein wenig Autobahn Maut zu sparen, die Familie zu besuchen und hier und da noch ein paar Erledigungen durchzuführen nur um am Ende dann noch den vereinbarten Fahrpreis unerwartet nach oben zu korrigieren. Indien eben.
In der Wüste angekommen, begrüßen uns ein paar einheimische Kinder, die uns durch das scheinbar verlassen Dorf - unserem Ausgangspunkt für die Wüstentour – führen. Wir bekommen Tee und auch wenn die Kinder kein Englisch sprechen, setzten sie sich neben uns in das kleine Gemäuer in das wir uns mit unserem Tee verzogen haben und sitzen nur uns angrinsend auf dem Boden, während wir auf die Kamele warten, mit denen wir die nächsten Tage verbringen werden.
Dann heißt es Kamele satteln und erstmal jeder mit seinem Kamel zum Wasserloch zum Trinken führen.
Ja…wir sind jetzt Kameltreiber….
nicht im Sinne des Schimpfwortes. Sondern tatsächlich…mehr oder weniger.

Die Befehle für Hoch und runter der Tiere wird mit Pfeiflauten signalisiert, die uns unsere beiden Führer beibringen….Klappt übrigens auf Anhieb………Semi-Gut….also nicht wirklich bei mir. Naja. Die Kamele – die eigentlich Dromedare sind - sind deutlich größer als es in der Mongolei der Fall war (LINK BLOG Gobi, Mongolei - Zwei zum Verlieben und Romantik in der Hocke). Und ebenfalls bemerkt Sara, dass es sich nur um männliche Vertreter der Gattung handelt. In der Mongolei waren es nur weibliche. Woran hat Sara das nur erkannt? Ist mir bis heute ein Rätsel.

Das Reiten ist aber deutlich angenehmer als in der Mongolei, da die indischen Dromedare, nicht nur größer, sondern auch schlanker sind als in der Mongolei. Das macht den Ausfallschritt beim Sitzen auf den wackligen Tieren deutlich angenehmer auf den 8 Stunden, die wir an diesem Tag auf ihnen zurücklegen werden. Immer weiter den Dünen und der heißen langsam sinkenden Sonne entgegen.
Die erste Pause legen wir nach 3 Stunden im bunt geschmückten Sattel auf einer kleinen Dünensenke ein. Ein paar dichter zusammenstehende Bäume spenden Schatten. Eine kleine Oase.

Unsere Führer haben aus trocknem Holz in null Komma nix ein Feuer entzündet, auf dem sie nun in flachen Wok das Mittagessen zubereiten.
Erster Gang ist in Indien oft eine Art Maispuffreis. Bunte kleine Förmchen, die in heißem Öl geschwenkt in einer Minute auf etwa die 5-fache Größe anwachsen. Echt lecker. Der Hauptgang besteht aus Dahl…also Linsencurry, Gemüse und Roti, dem indischen Fladenbrot, dass die beiden frisch neben uns zubereiten.

Hier lerne ich übrigens endlich auch den für mich verwirrenden Unterschied zwischen den vielen verschiedenen Fladenbrotsorten in Indien, bei denen im Restaurant immer die Qual der Wahl bleibt, kennen. Also erklärt mir einer der Führer auf meine Nachfrage als er den Teig auf dem kleinen Teller vor sich knetet:
«Roti ist ein kleines rundes Fladenbrot aus Weizenmehl, dass ohne Öl gebraten wird. Chapati ist im Grunde das Gleiche wie Roti, nur das es mit Öl gebraten wird und auch gern etwas größer ist, als Roti.« Manchmal wird für Roti aber auch Reismehl verwendet. So genau sind die Inder da nicht. Und dann gibt es da noch meinen Favoriten: Naaaaaaaaaan! Naan ist deutlich dickerer Teig -ebenfalls aus Weizenmehl – und deeeeutlich größer als Roti und Chapati.

Kann ich locker 3 Roti oder Chapati zum Curry verdücken, ist es bei Naan meist nur eines, das gerne mal die Größe eines ganzen Tellers einnimmt. Oh mein Gott….Knoblauch Naan!!!! Da kann ich mich reinlegen. Nach dem Verzehr legt sich jedoch höchstwahrscheinlich für eine begrenzte Zeit auch Keine mehr auf mich. Küssen ist dann eher die nächsten 2 bis 3…..Ta…..Wochen nicht drin. Aaaaaber….manchmal ist es das wert.
Das indische Essen ist sogar in der Wüste super schmackhaft.
Ich muss nur immer das Risiko abwägen, zwischen schmackhaften Deluxe-Dinner oder Diarrhoe-Diät, die gerne in Indien auf die leckeren Curries folgt.
Übrigens ebenfalls ein plausibler vorübergehender Abstinenzgrund.
Zum Glück bleibt uns das mit der Diarrhoe in der Wüste erspart. Und um weitere Magenschwankungen auf den Kamelen nach dem üppigen Essen zu vermeiden, wird auch erstmal eine gute Stunde unterm Bäumchen im Sand gerastet.
Wir verstummen nach unserem üppigen Mal. Stille legt sich über unseren kleinen Rastplatz. Kein Geräusch, die Bäume rascheln nur ein wenig im Wind, wir sehen wilde Kamele verschwommen in der Ferne rasten, unsere tierischen Gefährten haben sich neben uns zur Ruhe gesellt und in null Komma nix sind wir in Einigkeit mit Ihnen weggedöst.

Ein nahes Kaugeräusch lässt mich die Augen wieder öffnen. Über mir eines unserer Kamele, dass den Hals lang ausstreckt, um an die harten Blätter, des Baumes der mit Schatten spendet zu gelangen. Das ist auch das erste Mal, dass ich das sehe. Ein Kamel, dass vom Baum frisst. Wusste ich ehrlich gesagt gar nicht.

Es ist immer noch Still. Nichts stört die Ruhe der Sandlandschaft. Eben…..…irgendwie wird das dann doch auch mal langweilig. Also vertreibe ich mir die restliche Zeit der Pause gemeinsam mit den Sara und Daniele – die mittlerweile auch wieder wach sind - mit dem Bau unserer Miniaturausgabe des Taj Mahal aus Wüstensand, das tatsächlich mit 4 Türmen, Wassergraben, Torbrücke und sogar zierender Vegetation ausgestattet ist. Ein Meisterwerk, dessen Vollendung jedoch anderen gewährt bleibt, denn die Karawane zieht weiter.

Die Kochtöpfe reinigen wir mit Sand, alles an die Kamele schnallen, aufsatteln. Weiter geht’s. Für die nächsten Stunden. Immer langsam wiegend links und rechts im Takt der Wüstenschiffe unter uns.

Was macht man eigentlich so stundenlang auf einem Kamel außer Schwitzen und die Sonne bei ihrer Bahn verfolgen?
Man macht sich so seine Gedanken. Jeder für sich. Tiefgründig. Fast meditativ: Meine Wenigkeit denkt zum Beispiel über schlechte Kamelwortwitze nach. «Wieso heißt es eigentlich Kameleon?« «Gibt es eigentlich ein Kamelsutra? »Wenn ein Kamel süß ist, ist es dann ein Karamel?« und natürlich «Wie groß so ein Cameltoe ist? Sieht von hier oben irgendwie gar nicht so sexy aus.«
Das erzähle ich dann auch Sara und sie erzählt mir, dass sie übers Leben nachgedacht hat. Okaaaaaay. Kleiner Unterschied zwischen Mann und Frau, der hier deutlich wird, wie man seine spirituelle Zeit in der Wüste sinnvoll nutzen kann. Sinnfreie Kamelwitze oder der Sinn des Lebens.
Bevor hier aber zu scharf geurteilt wird, kann es natürlich sein, dass einer der Pfeiler des Lebens, daraus besteht viel zu lachen und vielleicht nicht alles so ernst zu nehmen, was ich ja in der Vergangenheit auch gern getan habe…..daaaaaannn wäre ich ja so gesehen schon einen Schritt weiter.
Spitzfindige Klugscheisserei – wie im vorherigen Satz eindrucksvoll von meiner Seite dargestellt - gehört aber definitiv nicht zu den Grundpfeilern des Lebens.
Trotzdem bleibt etwas Schönes von diesem Austausch hängen. Die unverhohlene Offenheit auf dieser Reise. Keiner weiß, ob er den anderen am nächsten Tag wiedersieht oder nicht. Und muss es auch nicht. Das kann ich jederzeit frei entscheiden. Ich sehe meine Begleiter oft nur kurz auf dieser Reise …Begegnungen für ein, zwei Tage. Keine Zeit für Sperenzchen. Da bleibt nur schnell zu zeigen, wer du bist. Große Formalitäten wie in Deutschland sind da nicht drin.
Dein Fremdes Gegenüber wird schnell zum besten Freund oder ihr wechselt schnell kein Wort mer und seht euch wahrscheinlich nie wieder. Ich werde deutlich schneller beim Einlassen auf Menschen. Das ist wunderbar und genauso herzzerreißend am Reisen. Unbegrenzte Möglichkeiten und schwere Abschiede.
Manchmal fühlen sich die Begegnungen auf Reisen wie ganze Monate von Beziehungen an:
Du brichst das Eis, ihr lacht, ihr mögt euch. Du erzählst was dich wirklich bewegt, warum du reist, wo du herkommst und wo du hinwillst…also nicht nur Geografisch. Du hörst dem anderen zu, wie sein Herz hier und da gesprungen ist und was es zum Leuchten bringt und stimmst nickend ein. Ihr geht gut essen, betrinkt euch, probiert neues aus, macht Dinge zum ersten Mal.
Dann erkennst du die ein oder andere Macke. Liebst sie oder schaut höflich weg. Hast eine Meinungsverschiedenheit oder kannst plötzlich gar nicht mehr mit dem anderen. Oder du möchtest, dass alles so cool und schön bleibt. Momente festhalten. Du kommst ganz nah und dann steht da ein Taxi, der Bus oder Zug und schnell heißt es «Good bye«. Eine Umarmung oder böser Blick. Mal mit Pippi im Auge – mal ohne. Jeder geht wieder seinen eigenen Weg zum Glücklich sein nach. Winkt dir zu. Und verschwindet im Abgasstaub.
Und für all das braucht es beim Reisen oft nur 2 Tage. Mehr Zeit ist nicht. Das ist es, was für mich eines der wichtigsten Dinge und vor allem Schönsten ist, beim Reisen. Was mir zu Hause oft selbst verschuldet verloren gegangen ist:
Diese Intensität. Nach unten wie nach oben.
Erlebnisse werden intensiver, seit dem ich zulasse, dass Begegnungen intensiver werden. Ich lasse mich drauf ein und öffne mich...schnell....für Deutschland garantiert zu schnell, aber das spielt eben keine Rolle. Jederzeit habe ich die echte Freiheit zu bleiben oder zu gehen. Zu sein oder zu lassen.
Dann fällt sie plötzlich ab, die Sorge um den nächsten Tag, dass alles gut läuft, ich alles richtig mache, den Erwartungen gerecht werde, sie wenn möglich übertreffe, mich übertreffe, ich genug Leute mag oder sie mich mögen, der Plan so läuft wie er soll und nie tut. Es gibt tatsächlich nur jetzt. Es gibt kein morgen und auch kein gestern. Alles nur Hirngespinste. Sie sind nicht real und werden von meinem Kopf eh in ein anderes Licht getaucht als sie wirklich waren oder sein werden, um mal wieder bei der Psychologie zu landen.
Tatsächlich sind es andere viel essentiellere und realere Dinge, um die ich mir Gedanken mache – auch wenn ich natürlich immer wieder sinnlos schlechte Tage habe. Meinen Papa, dem es oft nach der ein oder anderen Herz-OP nicht so gut geht zum Beispiel.
Ich denke darüber nach was denn wäre, wenn ihm oder jemanden aus der Familie was passiert oder sogar der schlimmste Fall eintritt?....nach Hause fliegen? Wahrscheinlich komme ich eh zu spät. Und würde das mein Papa wollen?
Ich glaube meine Eltern wollten immer das Beste für mich. Auch wenn ich lange keine Ahnung hatte, dass das so ist. Einer der Dinge, die meine Eltern mir mal gesagt haben und mir oft geholfen hat, war.
«Wir hatten auch keine Ahnung, wie man Kinder großzieht. Du willst das gut machen und dann musst du ausprobieren. Du lernst immer wieder neu und entwickelst dich. Keiner hat die Weisheit mir Löffeln gefressen. Und das hört auch nie auf. Neue Lebensabschnitte. Neues Lernen. Auch noch mit 60.«
Zu wissen, dass keiner nen Plan hat, ist irgendwie beruhigend und zu gleichzeitig hat es mich gerade in letzter Zeit dazu angespornt die neuen Wege zu gehen.
Wenn eh keiner weiß, was richtig ist, dann kann ich ja versuchen es rauszufinden. Für mich.
Ich seh übrigens schon meine Eltern auf dem Sofa meinen Blog lesen und sagen « Hast du ihm das gesagt?!?!« «Was weiß ich denn?!? Du?!?!?«.
Was ich aber in der letzten Zeit sehr oft von meinem Papa gehört habe «Ich bin stolz auf dich«. Auch wenn mein Papa und meine Mama es mir sicher nicht zu selten in der Vergangenheit gesagt haben, empfinde ich es jetzt anders – häufiger – berührender. Vielleicht gerade weil mich im Moment nicht auf dem geraden Weg befinde und ihn gehe. Vor nicht allzu langer Zeit hat mir mal jemand gesagt, dass Worte Nichts zählen. TUN SIE. Wenn man was draus macht. Aber sie sind der Anfang. Nicht zuletzt hat Luther schon seine Übersetzung der Bibel nicht ohne Grund so begonnen: «Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott«.
Danke für eure Worte, liebe Eltern. Das hilft, gerade wenn ich mal nicht ganz sicher bin, ob das der richtige Weg ist, auf dem ich mich befinde.
Okay…jetz wurden die Gedanken auf dem wankenden Kamel doch tiefgreifender. Es ist dann wohl doch zu hypnotisch, das Schwanken auf dem sandfarbenen Tier.
Wir kommen kurz vor Sonnenuntergang im Nachtlager an. Gemeinsam am Feuer verbringen wir den Abend gemeinsam mit einer anderen Gruppe Kameltreibertouristen, die sich zu uns gesellen. Wir sind nun zu acht im Dunkel der Nacht zusammengerückt. Und richten nach kurzen Schwätzchen unsere Schlafplätze ein.


Im Abstand von gut 20 Metern zueinander liegt für jeden eine Decke auf dem Boden und eine zweite zum Zudecken im Sand auf der Düne. Der Blick Richtung Osten, wo uns am nächsten Morgen der Sonnenaufgang erwarten soll.

Daniele ist ein wenig besorgt, ob der schwarzen beachtlich großen Mistkäfer, die den Wüstensand zu Hunderten säumen.
«Wenn die mir in den Mund kriechen???«.
«Extraprotein oder weniger Schnarchen, wäre eine Option« geben die Mädels zu Protokoll. Und beenden die Diskussion.
Schon kurz nach Sonnenuntergang legen wir uns schlafen. Die Nacht zieht an. Und es wird schlagartig kühl. Die dicken Decken helfen aber schnell gegen die Kälte. Ganz sanft schmiegt sich der Sand um meinen Körper. Ich fühle mich wie auf Federn gebettet in einer Wiege. Die Sterne über mir, Käfer neben mir und doch döse ich schnell ein.
Und da bin ich wieder. 4 Uhr morgens, während sich mein Auge vom grellen Licht des Handys erholt. Die tausenden Sterne über mir bewundernd -wie im Planetarium.

Ich habe überraschenderweise so toll geschlafen, wie selten. Wie auf einem fliegenden Teppich. Keine Ahnung warum mir der Vergleich hier einfällt, aber so hat es sich angefühlt.
Es ist kühl und trotzdem hüllt mich eine innere Wärme ein. Das Planetarium über mir. Ich begreife mein Glück, dass ich hier habe. Wirklich. Ohne Luxus ...im Sand mit Decke und Laken.
Es gibt Orte und Momente, die sind so schön, die kann ich weder wirklich treffend in Worte fassen, geschweige denn mit der Kamera festhalten. Irgendwie auch zum Glück.
Denn es braucht alle meine Sinne, um das hier wahrzunehmen....den feuchtwarmen Geruch....die leichte Brise....der Sand, der auf der sonnenverbrannten Haut kribbelt und auf den Zähnen knirscht, während ich noch im Gaumen die Schärfe des indischen Essen vom Abend schmecke. Die Pupillen weit aufgerissen, um jedes funkeln der Sterne und vorbeihuschen der Schnuppen zu erfassen. Ich kann die Krümmung der Erde ganz klar am Horizont sehen. Sie bewegen sich – die Sterne. Hier und da ein Schnaufen der Kamele, die ein paar Meter entfernt im Sand rasten...sonst Stille. Unbeschreiblich. Unbeschreiblich schön. Hier. Jetzt.
Ein Glück, dass der wunderschöne Sonnenaufgang zu toppen sucht. Manchmal sieht man im Dunkeln aber mehr und der Kontrast der Nacht strahlt manchmal heller.





«Ich verstehe nicht, weshalb alle Angst vor dem Dunkel haben. Die Nacht bringt doch so vieles ans Licht. Vielleicht deshalb?« Janine Weger
Ganz wichtig! ....
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